Rennanalyse GP Katar 2023
Sauber-Party dank Taktik-Coup

GP Katar 2023

Wie kam Sauber in die Punkte? Warum stand Hülkenberg in der falschen Box? Und wer war schuld am Mercedes-Crash? In der Rennanalyse beantworten wir die letzten offenen Fragen zum Katar-GP.

Valtteri Bottas - GP Katar 2023
Foto: Wilhelm

Wie hat sich die Reifen-Regel auf das Rennen ausgewirkt?

Sechs Stunden vor dem Rennstart in Katar rief die FIA alle Teammanager zu einem Video-Call zusammen. Der Verband legte fest, dass die Piloten nicht mehr als 18 Runden auf einem Reifensatz drehen dürfen. Pirelli hatte schon im Training am Freitag festgestellt, dass sich die Lauffläche vom Karkassen-Gewebe löst. Schuld waren die 50 Millimeter hohen Pyramiden-Kerbs in den über 200 km/h schnellen Kurven 12 bis 14.

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Am Samstag versuchte die Rennleitung das Problem zunächst mit einer Verlegung der Streckenbegrenzung in den Griff zu bekommen. Doch obwohl die Piloten 80 Zentimeter weiter innen fahren mussten, rumpelten sie immer noch regelmäßig über den erhöhten äußeren Teil der Randsteine. So wurden nach dem Sprint erneut mikroskopisch kleine Verletzungen im Inneren der Gummi-Konstruktion festgestellt.

Lando Norris - Formel 1 - GP Katar 2023
xpb

Jeder Fahrer musste mindestens drei Mal zum Reifenwechsel. Die schnellsten Boxenstopps spulte McLaren ab.

Die FIA griff sicherheitshalber zu der bereits erwähnten Maßnahme. Ein Limit von 18 Runden pro Satz bedeutete bei einer Renndistanz von 57 Umläufen mindestens drei Stopps pro Fahrer. Das Problem lag darin, dass einige Teams ihre Kontingente in den ersten Sessions des Wochenendes schon fast verheizt hatten. Bei McLaren reichten die besten vier Reifensätze für 63 Runden, bei Ferrari sogar nur für 61.

Am angespanntesten war die Lage bei Mercedes. Die mittelharten und harten Reifen hätten Lewis Hamilton nur 59 Runden weit gebracht. Deshalb entschieden sich die Ingenieure für eine Risiko-Strategie mit dem Start auf Softs. Er hätte mit der weichsten Mischung mindestens bis Runde acht kommen müssen oder er wäre auf vier Stopps umdisponiert worden. Weil Hamilton nach 400 Metern crashte, werden wir leider nie erfahren, wie die Taktik aufgegangen wäre.

Das Rundenlimit schränkte die strategischen Möglichkeiten extrem ein. Durch die verkürzten Stints konnten reifenschonende Autos ihren Vorteil nicht ausspielen. Einige Strategen fürchteten ein richtiges Drama, wenn das Safety-Car im Rennen spät auf die Bahn geschickt worden wäre. Teams ohne verbleibende Reifensätze mit entsprechender Restlaufzeit hätten dann gar nicht reagieren können.

Oscar Piastri - GP Katar 2023
FOM

Oscar Piastri musste sich vor der Siegerehrung erst einmal hinlegen.

Warum war Katar eines der härtesten Rennen aller Zeiten?

Die aufgezwungene Dreistopp-Strategie hatte auch Auswirkungen auf die Pace. Reifenschonen war nicht angesagt. Die Piloten mussten voll ans Limit gehen. "Wir sind 57 Qualifying-Runden gefahren", erklärte Oscar Piastri nach der Zieldurchfahrt erschöpft. In der Sieger-Lounge musste sich der Rookie erst einmal hinlegen, um wieder zu Kräften zu kommen.

Andere Piloten traf es noch schlimmer: Logan Sargeant gab nach 40 Runden entkräftet auf. Williams-Kollege Alexander Albon musste nach dem Rennen mit einem Hitzschlag in das Medical Center. Esteban Ocon übergab sich in den Helm. "Ich musste das Visier öffnen, um atmen zu können. Es war die Hölle im Auto."

Fernando Alonso bettelte beim Boxenstopp um einen Schuss Wasser, weil sein Sitz auf der rechten Seite zu heiß wurde. George Russell gab zu: "Nur ein Grad heißer, und ich wäre ausgestiegen." Der Mercedes-Pilot streckte zeitweise die Hand aus dem Cockpit, um sich Luft zuzufächeln. Sieger Max Verstappen fühlte sich wie nach zwei Stunden Sauna. Lance Stroll gab zu Protokoll, dass er teilweise nur noch schwarz sah und deshalb einige Track-Limit-Strafen kassierte.

Nico Hülkenberg bekannte: "Ich bin noch nie ein so brutales Rennen gefahren." Charles Leclerc kritisierte: "Das war ein Schritt über dem Limit. Wenn es noch einmal solche Bedingungen gibt, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Das schlimmste war die Dehydrierung. Trinken kannst du vergessen. In der zweiten Rennhälfte hast du heißen Tee in der Trinkflasche."

Die Tortur kam aus dem Nichts. Nach den 19 Runden im Sprint hatten die Fahrer nicht das Gefühl, dass die volle Renndistanz ein Problem werden könnte. Doch am Sonntag gab es einige entscheidende Unterschiede. Die Luftfeuchtigkeit stieg auf 75 Prozent. Der starke Wind, der im Sprint noch ein bisschen Luft ins Cockpit wehte, wurde zur Flaute. "Und das auf einer Strecke, auf der Kurve auf Kurve folgt, alle unter hohen Fliehkräften, mit extrem hart gefederten Autos. Es gab nur die Zielgerade zum Ausruhen", stöhnte Leclerc.

George Russell vs. Lewis Hamilton - Formel 1 - GP Katar 2023
Wilhelm

George Russell konnte die Kollision mit dem Teamkollegen nicht verhindern. Das sah später auch Lewis Hamilton ein.

Wer war schuld am Mercedes-Crash?

Lewis Hamilton ersparte sich die Tortur. Der siebenfache Weltmeister hatte schon nach 400 Metern unfreiwillig Feierabend. Mit den Soft-Reifen wollte er sich bei der Anfahrt auf Kurve 1 Verstappen und Russell gleich im Doppelpack schnappen. Doch beim Einlenken stolperte der Mercedes mit dem rechten Hinterrad über das Schwesterauto. Die Felge brach, Hamilton trudelte ins Kies.

Über Funk beklagte der Engländer zunächst, dass er vom eigenen Teamkollegen abgeschossen wurde. Doch später änderte sich die Sichtweise: "Ich habe mir noch einmal die Wiederholung angeschaut und muss zugeben, dass es zu 100 Prozent mein Fehler war. Es tut mir leid für das Team und für George." Der Teamkollege nahm die persönliche Entschuldigung mit einer Umarmung an.

Russell hatte sich bei dem Kontakt selbst einen Plattfuß vorne links eingefahren. Doch nach dem Reifenwechsel startete der Youngster von ganz hinten eine tolle Aufholjagd. Dank der starken Mercedes-Pace landete er am Ende auf Rang vier. Nur der Red Bull von Verstappen und die beiden McLaren waren an diesem Tag schneller.

Valtteri Bottas - Formel 1 - GP Katar 2023
xpb

Valtteri Bottas nutzte das frühe Safety-Car zum zeitsparenden Boxenstopp.

Wie kamen beide Sauber in die Punkte?

Das Safety-Car, das durch den Mercedes-Crash ausgelöst wurde, nutzten vier Fahrer zu einem zeitsparenden Reifenwechsel in der vierten Runde. Es war die früheste Möglichkeit, um danach mit nur noch zwei weiteren Boxenstopps über die Distanz zu kommen. Aus dem Quartett schaffte es Valtteri Bottas am Ende sogar bis auf Rang acht in die Punkte.

Der Finne war auf Softs gestartet und hatte sowieso einen frühen ersten Stopp geplant. "Aber die Strategie wäre ohne die Safety-Car-Phase sicher nicht so gut aufgegangen", gab Teammanager Beat Zehnder zu. Bottas wurde aufgefordert, sich in Zweikämpfen mit deutlich schnelleren Autos nicht lange aufzuhalten. Und er wurde ermahnt, die Streckenlimits einzuhalten.

Am Ende kamen beide Alfa-Piloten ohne Strafe davon, was der Schlüssel dafür war, dass auch Guanyu Zhou punkten konnte. Der Chinese war hinter Lance Stroll, Pierre Gasly und Sergio Perez eigentlich nur auf Rang zwölf über die Linie gerollt. Doch das Trio vor ihm hatte im internen Duell so oft die Strecke verlassen, dass es für alle nachträgliche Strafen setzte. Sie spülten Zhou bis auf Rang neun nach vorne.

Ein Grund für den Punkteregen war auch die überraschend starke Rennpace. "Schon seit Monza haben wir große Fortschritte mit dem Auto gemacht", erklärt Zehnder. "Wir konnten es aber nie richtig zeigen, weil immer etwas dazwischengekommen ist. Mal haben die Fahrer Fehler gemacht, mal das Team. In ein paar Fällen hatten wir auch einfach kein Glück. Hier hat endlich alles zusammengepasst."

Nico Hülkenberg - GP Katar 2023
Motorsport Images

Nico Hülkenberg berechnete nicht ein, dass Carlos Sainz seinen Startplatz vor ihm nicht einnehmen konnte.

Warum stand Hülkenberg in der falschen Startbox?

Nico Hülkenberg kassierte früh im Rennen eine Zehn-Sekunden-Strafe. Der Rheinländer war aus Versehen in die verwaiste Startbox von Carlos Sainz gerollt, die sich direkt vor seiner eigentlichen Parkposition befand. Ferrari musste den Rennstart des Spaniers absagen, nachdem die Mechaniker in letzter Minute ein Problem mit dem Benzin-System erkannt hatten, das auf die Schnelle nicht zu beheben war.

Hülkenbergs Fehler passierte trotz Warnung des Teams. Der Pilot befand sich in der Einführungsrunde schon so im Tunnel, dass er einfach vergaß, die notwendige Lücke zum Vordermann zu halten: "Die Gewohnheit hat heute zugebissen. Ich habe es einfach verkackt", entschuldigte sich der Routinier in gewohnter Offenheit bei seinem Team.

Auch sonst hatte der Haas-Pilot kein Rennglück: "Das frühe Safety-Car hat Soft-Startern wie Bottas in die Karten gespielt. Ich konnte nicht die ganze Pace zeigen, die im Auto steckte, weil ich leider nur noch gebrauchte Mediums für das Rennen übrig hatte. Das war ein großer Nachteil. Da war ich das Opfer meiner guten Qualifyings."

Hülkenberg schrieb den achten Nuller in Folge. Haas verlor Platz acht in der Teamwertung an Alfa Romeo. Doch geschlagen geben will man sich beim US-Team noch lange nicht: "Wir kämpfen bis zum Ende. In Austin kommt ja unser großes Upgrade-Paket. Von dem erhoffen wir uns einen Schritt bei der Performance. Das wird natürlich nicht einfach, das an einem Sprint-Wochenende mit wenig Zeit zu optimieren. Aber wir geben natürlich nicht auf."

GP Katar 2023 - Ergebnis Rennen

Fahrer

Team

Zeit/Rückstand

1. Max Verstappen

Red Bull

1:27:39.168 h

2. Oscar Piastri

McLaren

+ 4.833 s

3. Lando Norris

McLaren

+ 5.969 s

4. George Russell

Mercedes

+ 34.119 s

5. Charles Leclerc

Ferrari

+ 38.976 s

6. Fernando Alonso

Aston Martin

+ 49.032 s

7. Esteban Ocon

Alpine

+ 62.390 s

8. Valtteri Bottas

Alfa Romeo

+ 66.563 s

9. Zhou Guanyu

Alfa Romeo

+ 76.127 s

10. Sergio Perez

Red Bull

+ 80.181 s

11. Lance Stroll

Aston Martin

+ 81.652 s

12. Pierre Gasly

Alpine

+ 82.300 s

13. Alexander Albon

Williams

+ 91.014 s

14. Kevin Magnussen

Haas

+ 1 Runde

15. Yuki Tsunoda

Alpha Tauri

+ 1 Runde

16. Nico Hülkenberg

Haas

+ 1 Runde

17. Liam Lawson

Alpha Tauri

+ 1 Runde

18. Logan Sargeant

Williams

Ausfall

19. Lewis Hamilton

Mercedes

Ausfall

20. Carlos Sainz

Ferrari

Ausfall

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