Rennanalyse GP Emilia-Romagna 2022
Watschn für Rot und Silber

GP Imola 2022

Während bei Red Bull nach dem Imola-Rennen die große Party stieg, schoben die Fans von Ferrari und Lewis Hamilton Frust. In der Rennanalyse erklären wir, was bei Rot und Silber alles schief lief.

Charles Leclerc - GP Emilia Romagna - Imola - 2022
Foto: Wilhelm

Warum war Red Bull plötzlich schneller als Ferrari?

Auch langjährige Experten tun sich schwer, die aktuelle Formschwankungen im Formel-1-Feld zu erklären. In Melbourne fuhr Charles Leclerc noch in einer eigenen Liga. Zwei Wochen später war in Imola plötzlich kein Kraut gegen Max Verstappen gewachsen. Das Pendel schwingt wild von einer in die andere Richtung.

Die Auferstehung von Red Bull hatte viele Gründe. Sportchef Helmut Marko lobte nach dem Rennen vor allem den Mut seiner Truppe. Die Ingenieure ließen einige Technik-Neuerungen ans Auto schrauben, obwohl durch das Sprint-Format nur ein einziges verregnetes Training zur Erprobung blieb. Das Ergebnis waren ein paar Punkte mehr Abtrieb und rund fünf Kilo weniger Gewicht.

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Teamchef Christian Horner sah den Schlüssel zum Doppelsieg vor allem im Setup, bei dem man zwei Wochen zuvor noch komplett daneben lag. "Wir sind hier in Imola deutlich schonender mit den Reifen umgegangen als Ferrari", freute sich der Brite. Verstappen fügte an: "Ohne die richtige Balance funktioniert das beste Auto nicht."

Bei der italienischen Konkurrenz sah man den Rückstand nicht so groß, wie es das Ergebnis am Ende suggerierte. Die schlechten Starts brachten Ferrari früh in die Defensive. "Wir haben die Daten untersucht. Die Fahrer haben nichts falsch gemacht. Es gab auf der rechten Spur wohl etwas mehr feuchte Stellen", analysierte Teamboss Mattia Binotto.

Dass Leclerc im entscheidenden Moment nicht an Perez vorbeikam, lag einerseits daran, dass der Ferrari am Ende der Geraden früher in den Lademodus des Hybrid-Systems schaltete. Dazu bedauerte Binotto, dass die Rennleitung den DRS-Klappflügel erst in Runde 34 freigab. Nach dem heftigen Crash von Valtteri Bottas und George Russell im Vorjahr gingen die FIA-Schiedsrichter hier auf Nummer sicher.

Max Verstappen - GP Emilia Romagna - Imola - 2022
Red Bull
Der Sieg von Max Verstappen geriet in Imola nie in Gefahr.

War die Ferrari-Taktik richtig?

Nachdem Carlos Sainz schon in der ersten Kurve von Daniel Ricciardo ins Kiesbett bugsiert wurde, hatte Ferrari nur noch ein Eisen im Feuer. Der Spanier beklagte anschließend sein Pech: "Ich habe innen extra Platz gelassen und bin trotzdem getroffen worden." Nach Melbourne war es schon der zweite frühe Ausfall in Folge. Sainz verlor im teaminternen Duell damit weiter an Boden. Große Vorwürfe wollte er seinem Unfallgegner aber nicht machen: "Daniel kam hinterher bei uns in die Box und hat sich entschuldigt. Damit ist die Sache für mich erledigt."

Ferrari versuchte den Red-Bull-Doppelsieg noch durch eine Poker-Taktik zu verhindern. In Runde 48 bat man Leclerc überraschend zum zweiten Mal an die Box, um auf frische Soft-Reifen zu wechseln. Obwohl der Service reibungslos ablief, kam Leclerc hinter Lando Norris auf die Bahn zurück. Im Nachhinein muss man wohl sagen, dass Ferrari besser noch zwei Runden mit dem Stopp gewartet hätte, um die Lücke nach hinten zu vergrößern.

Horner glaubte, dass der hohe Reifenverschleiß diese Taktik diktierte. Binotto widersprach dieser These: "Wir haben eine Chance zur Attacke gesehen und gehofft, dass uns Red Bull an die Box folgt." Der erste Teil des Plans ging auf. Weil Leclerc kurz hinter Norris feststeckte, wurde auch Perez an die Box gerufen. Danach war der Abstand tatsächlich etwas kleiner als vorher. Doch zur Attacke sollte es nicht mehr kommen.

Beim Versuch mit Macht das DRS-Fenster seines Gegners zu erreichen, rutschte Leclerc in der Variante Alta in die Bande. Bei dem Fauxpas ging der Frontflügel zu Bruch. Der Reparaturstopp warf den Ferrari zunächst auf Rang neun zurück. Am Ende wurde es immerhin noch der sechste Platz. "Ich wollte einfach zu viel", entschuldigte sich Leclerc. "Ich hätte besser das Podium abgesichert. Die sieben verlorenen Punkte können im WM-Kampf noch einmal wertvoll werden. So ein Fehler wird mir sicher nicht noch einmal passieren."

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Emilia Romagna - Imola - 23. April 2022
Wilhelm
Lewis Hamilton fand in Imola nie in die richtige Spur.

Warum landete Hamilton so weit hinter Russell?

Lewis Hamilton erlebte in Imola eines der schlechtesten Rennwochenenden seiner Karriere. Auf Rang 13 verpasste der siebenfache Weltmeister erstmals diese Saison die Punkte. Nico Rosberg feuerte nach der Zieldurchfahrt einige Giftpfeile in Richtung seines alten Teamkollegen: "Das Auto ist sicher nicht da, wo es sein sollte. Aber George Russell ist mit dem gleichen Material immerhin auf Rang vier ins Ziel gekommen. Das wirft natürlich Fragen auf."

Toto Wolff versuchte seinen Superstar aus der Schusslinie zu nehmen. Noch über Funk entschuldigte sich der Teamchef persönlich bei Hamilton für die stumpfe Silberpfeil-Waffe. "Das Auto war unfahrbar. Lewis ist der beste Pilot der Welt. Er verdient eine bessere Maschine, mit der er zeigen kann, was er draufhat. Ich bin als Teamchef in der Verantwortung. Wenn es schlecht läuft, muss ich am Ende auch die Watschn einstecken."

Doch warum kam Russell dann so viel weiter vorne ins Ziel? Und dass, obwohl die Verstellung seines Frontflügels beim Boxenstopp auf das Trocken-Setup nicht klappte, was jede Runde ein paar Zehntel kostete. "George kam durch seinen guten Start nach vorne. Lewis hing in einem DRS-Zug fest", erklärte Wolff. "Er war deutlich schneller als Gasly oder Albon. Aber ohne den Topspeed-Vorteil kannst Du hier nicht überholen. Vor allem, wenn es nur eine trockene Spur gibt. Er steckte einfach fest." Am Ende gab es für Hamilton mit der Überrundung durch Verstappen in Runde 40 sogar noch die Höchststrafe.

Lando Norris - GP Emilia Romagna - Imola - 2022
xpb
Lando Norris erbte nach dem Leclerc-Fehler das Podium.

Wie schaffte McLaren die Trendwende?

McLaren fuhr beim Saisonstart in Bahrain noch meilenweit hinterher. In Imola feierte Lando Norris mit den beiden Red-Bull-Piloten auf dem Podium. Obwohl es noch keine großen Upgrades gab, wirkt der McLaren wie ein komplett verwandeltes Auto. "Wir glauben mittlerweile, dass Bahrain nur ein Ausrutscher war. Wir hatten durch die Probleme bei den Testfahrten einfach nicht genügend Daten zum neuen Auto", analysierte Teamchef Andreas Seidl.

Norris selbst traut dem Braten noch nicht: "Das Auto fühlt sich gut an. Die Balance passt. Uns fehlt es aber in allen Arten von Kurven an Speed. Auf Ferrari und Red Bull verlieren wir eine Sekunde pro Runde." Bei den schwierigen Bedingungen in Imola war die rohe Pace aber nicht entscheidend. Wichtiger war es, Vertrauen in das Auto zu haben. Und das ist bei McLaren der Fall. Die Piloten konnten voll attackieren. Und am Ende kam auch noch das Glück durch die Ausrutscher der Ferrari dazu.

Vallteri Bottas - GP Emilia Romagna - Imola - 2022
Motorsport Images
Valtteri Bottas war der schnellste Mann im Mittelfeld. Doch ein verpatzter Boxenstopp bremste den Vorwärtsdrang des Finnen.

Wo wäre Bottas ohne die Boxenpanne gelandet?

Für Alfa Romeo war das Rennen in Imola ein voller Erfolg. Das Aerodynamik-Paket mit neuem Unterboden und Heckverkleidung funktionierte auf Anhieb. Ein Chassis-Wechsel nach einem Auspuff-Feuer bei Valtteri Bottas und eine Unfallreparatur bei Guanyu Zhou brachte das Team nicht aus dem Konzept. Als Lohn gab es zwei Punkte im Sprint und zehn Zähler im Hauptrennen.

Es hätten noch mehr sein können, wäre nicht der Boxenstopp total in die Hose gegangen. Rechts vorne verkantete die Radmutter. Bottas stand 11,8 Sekunden. "Mit einem normalen Boxenstopp wären wir um den dritten Platz gefahren, weil wir dann früh im Rennen an Russell vorbeigekommen wären", ist Sportdirektor Beat Zehnder überzeugt.

Das Malheur ließ den Rückstand auf George Russell von 1,4 auf 11,5 Sekunden anwachsen. Es dauerte 35 Runden, bis die Lücke zum Mercedes wieder geschlossen war. "Valtteri hat ein unglaubliches Gespür für die Reifen. Er ist sie vorsichtig angefahren und war danach auf den Medium-Reifen teilweise der schnellste Mann im Feld", erzählt Zehnder.

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