Rennanalyse GP Belgien 2023
Red Bull muss Verstappen einbremsen

GP Belgien 2023

Trotz brutaler Überlegenheit ging es am Red-Bull-Funk zwischenzeitlich hitzig zur Sache. Gibt es da etwa dicke Luft zwischen Max Verstappen und seinem Renningenieur? Und warum konnte McLaren seinen Höhenflug nicht fortsetzen? Wir haben die Antworten in der Rennanalyse.

Max Verstappen - GP Belgien 2023
Foto: Motorsport Images

Warum gab es Stunk am Red-Bull-Funk?

Bei Max Verstappen läuft es weiter wie am Schnürchen. Zählt man die Sprints dazu, feierte der Weltmeister in Spa bereits die Siege neun und zehn in Folge. "Man muss Max jetzt schon mit den Allergrößten in eine Kategorie stellen", lobte Red-Bull-Sportchef Helmut Marko seinen Schützling. Beim Heimspiel in Belgien konnte auch eine Getriebestrafe und die Rückversetzung auf Startplatz 6 nichts am gewohnten Ergebnis ändern.

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Schon in Runde 17 war mit Sergio Pérez der letzte Gegner niedergerungen. Viel Gegenwehr gab es dabei aber nicht. "Es hat mich gewundert, dass es so lange gedauert hat, bis Max vorne lag", scherzte Teamchef Christian Horner. "Er hätte wohl auch vom letzten Startplatz gewonnen", fügte Marko staunend an.

Nach dem Rennen mussten die Verantwortlichen allerdings auch ein paar kritische Fragen zur Kommunikation des WM-Spitzenreiters mit Renningenieur Gianpiero Lambiase beantworten. Der Brite hatte seinen Schützling ein paar Mal harsch zurechtgewiesen.

Max Verstappen - Red Bull - GP Belgien 2023
xpb
Max Verstappen stellt hohe Ansprüche an sich selbst und sein Team.

Laut Horner dürfe man nicht zu viel in die Funksprüche interpretieren: "Manchmal fliegen die Funken. Aber Max ist ein Fahrer, der sich schnell wieder beruhigt. Er ist ein anspruchsvoller Kunde. Da muss man einen starken Charakter haben, um gegenzuhalten. Gianpiero ist streng, aber fair. Es gibt großes Vertrauen und viel Respekt zwischen den beiden."

Laut Marko gehe es die meiste Zeit darum, den ehrgeizigen Piloten einzubremsen: "Der Ingenieur steht im Spannungsfeld. Er hat jede Menge Sachen auf seinem Kopfhörer. Ihm werden Informationen zugefüttert, die Max nicht hat und die er nicht immer eins zu eins weitergeben kann. Da muss manchmal codiert geantwortet werden. Wenn man die Details kennt, dann ist das fachlich manchmal eine sehr komplexe Unterhaltung. Und das bei vollem Renntempo."

Ein Streitpunkt in Spa war Verstappens Idee, mit einem Extra-Stopp am Ende den Bonuspunkt für die schnellste Runde zu sammeln. Doch dieser Vorschlag traf auf wenig Begeisterung am Kommandostand. "Wir wollten nicht zu gierig sein. Wegen des einen Punktes bekommt hier keiner schlaflose Nächte", winkte Horner ab. In den Schlussrunden öffnete Verstappen die Lücke zu Verfolger Pérez dann aber doch auf 22,3 Sekunden. "Ich habe Gianpiero gefragt, ob Max versucht, den Boxenstopp herauszufahren. Aber er hat mir versichert, dass Max im Schongang unterwegs war. Alle Werte lagen im grünen Bereich."

Charles Leclerc - Ferrari - GP Belgien 2023
Wilhelm
Nur Red Bull konnte Charles Leclerc am Sonntag schlagen.

Warum war Ferrari wieder zweite Kraft?

Die Auf-und-Ab-Saison von Ferrari ging auf der Ardennen-Achterbahn von Spa weiter. Mit dem dritten Platz von Charles Leclerc konnte die Scuderia endlich mal wieder glänzen. Teamchef Frederic Vasseur nimmt die Formschwankungen mit Galgenhumor: "Letzte Woche in Budapest ging die Welt unter. Ich musste Fragen beantworten, warum McLaren fliegt und wir dumm sind. Jetzt sind wir wieder vor ihnen. Natürlich bin ich froh, den ersten Saisonteil mit einem Erfolgserlebnis zu beenden. Aber wir haben noch viel Arbeit vor uns."

Dass Ferrari plötzlich wieder die zweite Kraft war, lag vor allem an der Streckencharakteristik und den Reifen. Die Ardennen-Achterbahn ist traditionell ein starker Kurs für die Italiener. Es passte offenbar auch dieses Mal ins Profil des SF-23. Und im Gegensatz zu früheren Rennen hatte Ferrari auch das Reifenthema im Griff: "Wenn du wie wir in Spa ein schnelles Auto hast, müssen deine Fahrer nicht pushen. Und wenn sie nicht pushen, schont das die Reifen", erklärte Vasseur.

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Belgien 2023
Wilhelm
Lewis Hamilton konnte nicht um die Podesplätze fighten. Er tröstete sich mit dem Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde.

Wie gut hat das Mercedes-Upgrade funktioniert?

Ferrari half in Spa auch, dass die Konkurrenz nicht ihr bestes Wochenende erwischte. Dabei hatte man sich gerade bei Mercedes mit dem großen Seitenkasten-Upgrade viel ausgerechnet. Wegen der widrigen Bedingungen mit viel Regen und dem ungewöhnlichen Sprint-Format konnte man am Ende aber noch nicht viel dazu sagen, was die neuen Teile bringen.

Mercedes wurde außerdem von einem Problem überrascht, das schon abgehakt schien. Das Auto fiel in den schnellen Passagen ins Bouncing zurück. "Für uns war Blanchimont eine echte Kurve. Unsere Fahrer mussten vom Gas", erzählte Teamchef Toto Wolff. Ob das eine Folge des Upgrades war, muss noch untersucht werden. "Vielleicht brauchen wir am Unterboden noch etwas Feintuning, aber prinzipiell sind wir mit dem Upgrade auf dem richtigen Weg."

Oscar Piastri - GP Belgien 2023
Motorsport Images
Im Duell mit Carlos Sainz ging Oscar Piastri innen der Platz aus.

Wer war schuld an der Startkollision?

Nach einigen Glanzwochen war McLaren am Sonntag in Spa kein Anwärter auf einen Podestplatz. Oscar Piastri, der mit Rang zwei am verregneten Sprint-Samstag noch für eine kleine Sensation gesorgt hatte, war beim Hauptrennen schnell raus aus der Verlosung. Bei der Anfahrt auf die erste Kurve versuchte der Rookie etwas ungestüm auf der Innenseite zu attackieren. Doch Carlos Sainz zog vor ihm rüber. Piastri wurde schließlich zwischen dem Ferrari und der Bande eingeklemmt. Dabei ging die Aufhängung zu Bruch.

"Ich hatte meine Nase schon neben seinem Auto. Da konnte ich nichts mehr machen, als er rübergezogen ist", klagte Piastri. Unfallgegner Sainz wies die Anschuldigungen zurück: "In dieser Situation muss er einfach zurückstecken, wenn er an meinem Hinterrad hängt. Es ist ja nicht meine Aufgabe, ihn einfach durchzulassen." Ein kleiner Verbremser des Ferraris zuvor habe bei der Kollision keine Rolle gespielt. "Ich habe trotzdem den Scheitelpunkt getroffen", betonte Sainz.

Während Piastri sein Auto direkt abstellte, schleppte sich Sainz noch bis zur 23. Runde. In seinem Seitenkasten klaffte ein großes Loch. Nach Kalkulation der Ingenieure war der Abtrieb um fünf Prozent reduziert. "Darunter leidet auch die Balance", erklärte Vasseur. Sainz fiel hoffnungslos zurück, musste aber trotzdem auf der Piste ausharren. "Wir haben auf einen Schauer und eine rote Flagge gehofft, um das Auto in der Unterbrechung zu reparieren. Aber dann kamen nur ein paar Tropfen", erklärte der Teamchef das Vorgehen.

Lando Norris - GP Belgien 2023
Wilhelm
Die McLaren-Wahl der harten Reifen war ein Griff ins Klo. Lando Norris war der einzige Pilot, der die weiß markierten Pirellis im Rennnen ausprobierte.

Warum war Lando Norris so langsam?

Nach dem Ausfall von Piastri vermutete manch ein Beobachter auch beim zweiten McLaren von Lando Norris einen Defekt in der Anfangsphase. Der Brite war von Startplatz sieben losgefahren, verlor in den ersten Runden aber Position um Position. Als Norris in Runde fünf bis auf Rang elf durchgereicht war, zog der Kommandostand die Reißleine und holte das Auto an die Box.

Grund für die schlechte Pace war der zu große Heckflügel, wie Teamchef Andrea Stella später erklärte: "Wegen des hohen Luftwiderstands und des schlechten Topspeeds wurde Lando auf der langen Geraden ständig überholt. Im kurvigen Mittelsektor konnte er seinen Abtriebsvorteil nicht ausspielen, weil direkt vor ihm ständig Autos lagen. Wir mussten ihn also mit einem frühen Stopp aus dem Verkehr holen."

Durch den Service hatte Norris zwar zunächst freie Bahn, wurde aber trotzdem nicht schneller. Als einziger Pilot im gesamten Rennen hatten ihm die Mechaniker die harten Reifen aufgeschnallt. Die boten bei den kühlen Bedingungen aber nur wenig Grip. Norris fiel auf Rang 16 zurück und wurde schließlich in der 17. Runde direkt zum zweiten Mal reingerufen, was ihn ganz ans Ende des Feldes warf.

In einem Akt der Verzweiflung ließen die Ingenieure dieses Mal Soft-Reifen aufziehen, um den langen Stint über 27 Runden bis ins Ziel zu bewältigen. "Dass es geklappt hat, lag auch am Wetter. Auf der leicht feuchten Bahn nach dem kurzen Schauer wurden die Reifen geschont. Die Softs waren unter diesen Bedingungen zudem deutlich schneller als die Mediums. So konnte Lando ein paar Plätze gutmachen." Der Pilot streichelte seine Gummis bis ins Ziel und rutschte dabei immer weiter nach vorne. Am Ende konnte Platz sieben als gelungene Schadensbegrenzung bezeichnet werden.

Trotzdem glänzte McLaren in Spa nicht so wie in den Wochen zuvor. Stella zählte die Gründe für den kleinen Rückschlag auf: "Wir hätten einen flacheren Flügel gebraucht. Der lag in der Prioritäten-Liste unserer Upgrades aber nicht weit oben. Bis Monza müssen wir hier auf jeden Fall nachlegen. Dazu waren wir bei der Fahrzeughöhe zu konservativ. Ohne Trainingsrunden auf trockener Strecke wollten wir auf Nummer sicher gehen. Und wir lagen bei der Reifenwahl daneben, was auch an den fehlenden Daten lag."

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