Rennanalyse GP Aserbaidschan
Perez auf Augenhöhe mit Verstappen

GP Aserbaidschan 2023

Sergio Perez hatte in Baku den besseren Lauf als Max Verstappen. In Sachen Siege steht es nun 2:2. Aber wie hat er so aufgetrumpft? Und was ist kurz vor Schluss passiert, als Esteban Ocon auf eine Menschenmenge zusteuerte? Diese und weitere offenen Fragen zum GP Aserbaidschan beantworten wir in unserer Rennanalyse.

Sergio Perez - Red Bull - Formel 1 - GP Aserbaidschan - 30. April 2023
Foto: xpb

Der GP Aserbaidschan war zwar nicht von vielen Überholmanövern und wilder Action gekrönt, aber es gab trotzdem einige spannende Geschichten. Zum Beispiel den Sieg von Sergio Perez vor Max Verstappen, den erste Podiumsplatz von Ferrari, einen Poker von Nico Hülkenberg und eine verrückte Szene zum Rennende mit Esteban Ocon in der Hauptrolle.

Warum war Sergio Perez besser als Max Verstappen?

Nur noch sechs WM-Punkte trennen die Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Sergio Perez nach dem Wochenende in Baku. In Sachen Siege herrscht Gleichstand zwischen dem Holländer und dem Mexikaner. Beide haben nach vier Rennen nun zwei Erfolge auf dem Konto. Perez ist noch mit einem Sprint-Sieg im Vorteil. Doch wie kommt es, dass Red Bulls Nummer zwei in Baku so schlagkräftig gegen den sonst so dominierenden Verstappen war?

Unsere Highlights

Zum einen ist der 33-Jährige ein Baku-Spezialist. Kein Fahrer stand öfter auf dem Podium bei dem Rennen am Kaspischen Meer als er. Ihm gelang es auch als erstem Pilot, zwei Mal in Aserbaidschan zu gewinnen. Den ersten Vorgeschmack gab er bereits im Sprint am Samstagnachmittag.

Im Rennen selbst hatte zunächst Verstappen alles im Griff, nachdem er Charles Leclerc in Runde 3 hinter sich lassen konnte und die Führung übernahm. Doch dann kam ausgerechnet Landsmann Nyck de Vries vom B-Team Alpha Tauri als Zünglein an der Waage dazwischen. Sein Mauertreffer in Kurve 4 löste eine Safety-Car-Phase just zu dem Zeitpunkt aus, als Verstappen soeben seinen Reifenwechsel absolviert hatte.

Safety Car - Formel 1 - GP Aserbaidschan - 30. April 2023
xpb
Das Safety Car half Sergio Perez.

Das spielte Perez in die Karten, der natürlich den Vorteil des Stopps während der Neutralisation in Runde 11 für sich nutzen konnte. Verstappen fiel auf Platz 3 zurück, holte sich Leclerc aber wieder nach dem Restart. "Das müssen wir uns auch nochmal genauer anschauen", sagte Verstappen zu dem verpatzten Boxenstopp-Timing nach dem Rennen. Seiner Meinung nach hätte man erkennen können, dass am Alpha Tauri das linke Vorderrad abgeknickt war.

An Perez biss er sich im Anschluss aber sowieso die Zähne aus. Nie kam er in den DRS-Bereich, um attackieren zu können. Was auch daran lag, dass der 25-Jährige mit seinem Auto haderte. Verstappen: "Ich habe versucht, die Reifen am Ende nicht komplett zu ruinieren. Hier dreht sich auch alles um die Balance zwischen dem Kurveneingang hin zur Mitte der Kurve. Aber ich hatte Untersteuern und Übersteuern. In den letzten zehn Runden kam ich besser mit dem Auto klar, nachdem ich am Lenkrad einige Einstellungen verändert hatte."

Für Perez war es ein Schlüsselmoment, dass er im ersten Stint direkt in Runde 6 an Leclerc vorbeiziehen konnte und so nicht zu viel auf Verstappen verlor. "Als ich ihn dann überholen konnte, kam ich Runde für Runde in das DRS von Max, und das hat mein Rennen wirklich entschieden.Denn so konnte ich ihn dazu bringen, seine Reifen ranzunehmen. Als ich einmal in seinem DRS war, war es an der Zeit, ihn zu überholen, aber er musste offensichtlich an die Box. Und dann kam das Safety Car, also hatte ich ein bisschen Glück", meinte Perez.

"Als wir dann auf der harten Mischung waren, war es wirklich schwer, Max hinter mir zu halten, denn ich wusste, sobald er DRS bekommt, war es das. Also war es eine große Herausforderung, ihn aus dem DRS-Bereich raus zu halten. Und wir haben uns gegenseitig massiv gepusht. Wir haben wirklich alles gegeben, Runde für Runde."

Warum hat Ferrari den Dreikampf gegen Aston Martin und Mercedes gewonnen?

Charles Leclerc legte den Grundstein für den Erfolg mit den beiden Pole-Positions im Qualifying und Sprint-Shootout. Da war schon zu erkennen, dass Ferrari zumindest auf eine Runde voll bei der Musik ist. Auf die lange Distanz musste man sich zwar Red Bull geschlagen geben, hatte aber Mercedes und Aston Martin im Griff. So beendete Leclerc in Baku nun auch die Serie von Fernando Alonso, der drei Mal Dritter wurde und feierte den ersten Podestplatz für Ferrari in dieser Saison.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Aserbaidschan 2023
Motorsport Images
Charles Leclerc weiß nun, wie er besser mit den Reifen umgehen kann.

Ein Schlüssel lag darin, dass Ferrari das Reifenmanagement nun besser im Griff hat. Leclerc bediente sich der Philosophie von Alonso, den Stint langsamer und schonender für die Reifen zu beginnen und sich das Rennen besser einzuteilen. Teamkollege Carlos Sainz konnte ihm das allerdings nicht nachmachen. Der Spanier kämpfte das ganze Wochenende über mit Setup-Problemen und fand kein Vertrauen ins Auto.

Abgesehen davon strauchelte die Konkurrenz auch aufgrund eigener Themen. Aston Martin schlug sich das gesamte Wochenende mit einem DRS-Defekt herum, der erst für die beiden Rennen gelöst war. Bei Mercedes stolperte man darüber, dass der neue Asphalt auf dem Baku City Circuit mit weniger Bodenwellen eine tiefere Fahrhöhe zuließ. Davon profitierten andere mehr als die Silberpfeile. Sie haben ihr Konzept bisher auf mehr Bodenfreiheit im Heck ausgelegt.

Hat sich der Poker mit dem Start aus der Boxengasse für Nico Hülkenberg gelohnt?

Alpine-Pilot Esteban Ocon und Nico Hülkenberg waren in Baku ein bisschen im Zwillings-Modus unterwegs. Bei Ocon entschied man sich vor dem Sprint Shootout am Samstag das Setup zu ändern und hat so gegen die Parc-fermé-Regeln verstoßen, bei Hülkenberg baute man die Vorderradaufhängung nach dem Sprintrennen um und musste deshalb im Sonntags-Rennen ebenfalls aus der Boxengasse starten. "Ob Platz 16 oder Box macht keinen Unterschied. Wenn du aber vorher schon weißt, dass die Hinterreifen wieder eingehen, macht das Opfer einen Sinn", sagte Teamchef Steiner vor dem Start.

Die beiden nahmen das Rennen jeweils mit den harten Reifen aus der Boxengasse auf. Lange Zeit belegten sie im Parallelflug die Ränge neun und zehn. Sie wurden vor allem deshalb so weit nach vorne gespült, weil sie nicht wie die anderen während der Safety-Car-Phase in Runde 11 zum Reifenwechsel kamen, sondern mit den harten Reifen bis kurz vor Schluss durchfahren konnten. Die Ernüchterung folgte logischerweise, als auch Hülkenberg in Runde 49 zum Service kam und Ocon eine Runde später. Am Ende wurde Ocon 15. und Hülkenberg 17.

Nico Hülkenberg - Haas - Formel 1 - GP Aserbaidschan - 30. April 2023
Motorsport Images
Nico Hülkenberg entschied sich für einen Setup-Schwenk.

Auf dem Papier lässt sich also kein Vorteil dieser Taktik erkennen. Doch es hätte auch anders laufen können. Wäre zu einem späteren Zeitpunkt nochmal das Safety Car auf die Bahn gekommen, etwa ab Runde 30, hätte der Poker möglicherweise Sinn ergeben. Auch eine rote Flagge wäre einGeschenk gewesen. Immerhin hatte Hülkenberg die Entscheidung für den Umbau selbst getroffen.

"Um ehrlich zu sein, war es für mich ein Quali-Rennen", sagte er. "Für etwa 40 Runden war es okay, und dann begannen die Reifen am Ende leider ziemlich schnell abzubauen. Das Safety Car kam nicht heraus, und das war genau das, was wir mit unserer Strategie gebraucht hätten. Trotzdem war es ein guter Lernprozess. Wir haben uns für einen Start aus der Boxengasse entschieden und die Abstimmung komplett auf etwas Konventionelleres umgestellt."

Hatte das neue Sprint-Format Auswirkungen auf das Rennen?

Erst am Dienstag vor dem GP Aserbaidschan gab die Formel-1-Kommission bekannt, wie der Ablauf des vierten Grand-Prix-Wochenenendes der Saison aussehen würde. Der Samstag sollte ganz im Zeichen des neuen Sprint-Formats stehen. Das Sprint-Shootout wurde zum Mini-Qualifying für das Sprint-Rennen am Samstagnachmittag über 17 Runden. Das stand nun auch für sich alleine und war kein Faktor mehr für die Startaufstellung am Sonntag.

Sergio Perez - GP Aserbaidschan 2023 - Red Bull
Motorsport Images
Auch im Sprint gab Sergio Perez schon den Ton an.

Im Fahrerlager wurde die Neuerung heiß diskutiert. Max Verstappen bekannte sich dazu, dass er kein großer Fan davon ist. Tatsächlich hat sich an der Hackordnung im Sonntagsrennen dadurch auch nicht viel verändert, obwohl durch den neuen Ablauf mit nur einem freien Training weniger Vorbereitungszeit für die Longruns blieb. Vielmehr war das Sprint-Shootout ein Spiegelbild des Qualifyings am Freitag und das Sprintrennen eine Vorschau auf das Sonntagsrennen. Die Quali-Sessions dominierte jeweils Charles Leclerc, die Rennen jeweils Sergio Perez.

Die Machtverhältnisse sind immer noch dieselben. Red Bull gibt den Ton an, dahinter schlagen sich Ferrari, Aston Martin und Mercedes miteinander herum. Heißt: Das schnellste Auto bleibt auch mit weniger Vorbereitungszeit das schnellste Auto.

Wie kam es zu dem Beinahe-Drama, dass Esteban Ocon fast in eine Menschenmenge fuhr?

Als Esteban Ocon in Runde 50 zu seinem ersten und letzten Stopp in die Boxengasse abbog, entging die Formel 1 nur knapp einem Drama. Der Franzose sah plötzlich eine Menschenmenge und Absperrzäune vor sich. Der Grund: Es ist üblich, dass das Parc fermé aufgebaut wird und bereits einige Medienvertreter, VIP-Gäste und anderes Personal am Ende des Rennens Zutritt zur Boxengasse haben. Allerdings lag hier der Fehler darin, dass eben noch ein Fahrer am Ende seinen Stopp absolvieren musste. "Zum Glück ist nichts passiert, aber wir müssen dafür sorgen, dass sich solche Szenarien nicht wiederholen", sagte Ocon.

Die Rennkommissare untersuchten den Vorfall und hat die FIA-Vertreter aufgefordert, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um diese Verfahren und Protokolle mit der FOM, den Teams und der FIA zu überdenken, um sicherzustellen, dass sich eine solche Situation nicht wiederholt. Das Kuriose: Schon im vergangenen Jahr gab es eine ähnliche Diskussion in Baku. Auch damals waren VIP-Gäste zu früh in den Bereich des Parc fermés in der Boxengasse gelangt.

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