Geschichte der Absagen in der Formel 1
In der Hand der Natur

GP Imola 2023

Der GP Emilia Romagna ist nicht der erste Grand Prix, der abgesagt wurde. Es ist der dritte, bei dem schon alle Autos vor Ort waren. Und einer von vielen, die nicht wie geplant stattfanden.

Formel 1 - GP Emilia-Romagna 2023 - Imola
Foto: STINGER via Getty Images

Über die Absage des GP Emilia Romagna gibt es keine Diskussionen. Sie war richtig und rechtzeitig. Die Formel 1 und der Veranstalter mussten sich dem Wetter und der Natur beugen. Die komplette Region von Bologna bis hin zur Adria stand nach tagelangen Regenfällen unter Wasser. Es wäre nicht zu verantworten gewesen, eine Großveranstaltung abzuhalten und Rettungskräfte zu binden, wenn die anderswo dringend gebraucht werden.

Um 13:20 Uhr am Mittwoch gab die Formel 1 bekannt, dass die Vorbereitungen für den GP Emilia Romagna nicht weitergeführt würden. Das lässt im Gegensatz zu einer Absage juristisch eine Durchführung des Rennens an einem anderen Datum zu. Alle wissen aber, dass es dieses Datum im Kalender nicht gibt.

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Egal, in welche Lücke man Imola setzen würde, es hätte zur Folge, dass eine Serie von vier, fünf oder sechs Rennen entsteht. Ein Aufweichen der Sommerpause würde voraussetzen, dass die FIA das Sportliche Reglement umschreiben müsste. Dem müssten alle Beteiligten erst einmal zustimmen. Wegen Höherer Gewalt muss Imola kein Antriebsgeld bezahlen. Man wird wohl den Vertrag um ein Jahr verlängern, damit Imola 2026 das Rennen zurückbekommt, was ihnen jetzt gestohlen wurde.

GP Australien 2020 - Melbourne - Formel 1
Wilhelm
Das Melbourne-Rennen 2020 wurde wegen Corona im letzten Moment abgesagt.

Melbourne 2020 und Belgien 1985

Der Klassiker in Imola, der bereits in den vergangenen beiden Jahren von Regen betroffen war, ist erst der dritte Grand Prix in der Geschichte, der vom Programm genommen wurde, als bereits alles Material und ein Teil der Mannschaften vor Ort war. 2020 zwang ein Corona-Fall im McLaren-Team die Veranstalter des GP Australien, den Saisonauftakt wenige Stunden vor dem ersten Training abzusagen. Eine Woche später ging die ganze Welt in einen kollektiven Lockdown.

Noch knapper war es beim GP Belgien 1985 in Spa-Francorchamps. Da fanden bereits alle Trainingssitzungen und die Qualifikation statt, als die Veranstaltung auf Druck der Fahrer beendet wurde. Der frisch verlegte Asphalt war aufgebrochen. Alle Versuche, die Löcher zu stopfen, schlugen fehl. Michele Alboreto war ein Trainingsschnellster ohne Pole Position. Der Grand Prix wurde 105 Tage später nachgeholt. Ayrton Senna gewann. Alboreto ging übrigens leer aus.

Le Mans und die Suez-Krise

Alle anderen Absagen oder Verschiebungen wurden mit ausreichend Vorlauf publiziert. Schon in den 50er Jahren hielt der Kalender nicht immer, was er versprach. Die Katastrophe von Le Mans, bei der 82 Menschen starben, führte dazu, dass in kurzer Folge die Grand Prix von Frankreich, Deutschland, Belgien und der Schweiz verboten wurden. Die Schweiz hielt daran bis 2022 fest.

1957 sorgte die Suez-Krise für einen Versorgungsengpass mit Öl und Benzin. Belgien, die Niederlande und Spanien strichen freiwillig ihre Rennen. Pescara sprang ein. So kam es am 18. August 1957 zu einem Rennen, das in vielerlei Hinsicht einmalig in der GP-Geschichte ist. Es war der einzige Grand Prix auf einem echten Straßenkurs mit einer Länge von 25,838 Kilometer Länge. Und er trug den Namen der Stadt, die ihn ausrichtete.

Start - Formel 1 - GP Miami 2023
Motorsport Images
Auf das Rennen in Miami folgte der Ausfall von Imola.

Wenn die Politik mitspielt

Die Politik hatte noch öfter ihre Finger im Spiel. Der GP Argentinien 1982 wurde gestrichen, weil die Lage in dem Land, das unter der Knute der Militärjunta stand, immer unsicherer wurde. Ab 1986 wurde der GP Südafrika wegen der Apartheidpolitik am Kap geächtet. 1985 hatte es ein letztes Skandalrennen in Kyalami gegeben, bei dem einige Team zu Hause geblieben waren.

Der Arabische Frühling verhinderte 2011 den für Bahrain geplanten Auftakt. Vier Wochen vor dem Saisonstart wurden wegen gewalttätiger Proteste in dem Königreich die Sicherheitsbedenken so groß, dass die FIA das Rennen streichen musste. Nachdem Russland im Februar 2022 die Ukraine überfallen hatte, dauerte es nur einen Tag, bis die Formel 1 reagierte und Sotschi aus dem Programm warf.

Auch die Formel 1 interne Politik hatte Auswirkungen auf den Kalender. 1980 gab es einen Grand Prix von Spanien in Jarama und 1981 einen Grand Prix von Südafrika in Kyalami, die in keiner WM-Wertung auftauchen. Die Sieger Alan Jones und Carlos Reutemann bekamen wertlose Pokale. Die FIA entzog beiden Rennen den WM-Status, weil sie ohne ihren Segen ausgetragen wurden. Nur die englischen "Piratenteams" nahmen daran teil.

Corona-Absagen und Neuansetzungen

Während der Corona-Pandemie fanden 2020 insgesamt sieben Rennen nicht wie geplant statt oder wurden durch ein anderes Rennen ersetzt. China war wegen seiner Null-Covid-Politik seit 2020 nicht mehr Teil des GP-Zirkus. Australien, Kanada, Singapur und Japan mussten wegen Lockdowns oder Reisebeschränkungen 2020 und 2021 pausieren. Dafür kamen mit Mugello und Portimao neue Strecken zum Zug oder feierten wie Istanbul, Imola und der Nürburgring ein Comeback.

Die für den 5. April 2020 geplante Formel-1-Premiere in Vietnam fand nicht nur wegen Corona nie statt. Der 5,565 Kilometer lange Kurs in Hanoi war im Zuge eines Korruptionsskandals um Politiker und Veranstalter nie ganz fertig geworden. Corona war den Verantwortlichen in Vietnam eine willkommene Ausrede, aus der Nummer auszusteigen.

Im Sinne der Sicherheit

In vielen Fällen war die Rennstrecke selbst an Absagen oder Verlegungen Schuld. Imola kam nur in den Formel-1-Kalender, weil Monza 1980 den geforderten Sicherheitsmaßnahmen nicht rechtzeitig nachkommen konnte. Der GP Deutschland 1970 wurde drei Wochen vor der Veranstaltung auf den Hockenheimring verlegt, weil sich die Fahrer weigerten, auf dem Nürburgring zu fahren. 1969 hatten sie den GP Belgien gleich ganz boykottiert.

1972 musste der GP Holland Pause machen. Zandvoort kam den vom Verband angeordneten Umbauten im Dienste der Sicherheit nicht nach. Das Gleiche galt für Estoril 1997. Das Saisonfinale zog daraufhin nach Jerez um. Der GP Mexiko 1971 scheiterte an den Vorkommnissen des Vorjahres. Da stürmten die Zuschauer während des Rennens die Strecke. Jackie Stewart lief ein Hund ins Auto. Der Veranstalter konnte nicht garantieren, dass sich die Vorfälle nicht wiederholen.

Michael Schumacher - Ferrari - Jacquesn Villeneuve - Williams - GP Europa 1997 - Jerez
Motorsport Images
Das Saisonfinale 1997 fand in Jerez und nicht in Estoril statt.

Geld regiert F1-Kalender

Und natürlich spielte auch oft genug Geld eine Rolle. 1975 wollten die Organisatoren des GP Kanada mit Bernie Ecclestone um das Startgeld pokern. Bei einem Termin am Nürburgring riss dem Chefverhandler der Teams die Geduld. Er sagte den Kanadiern ab und blieb auch dabei, als die ihr Angebot nachbesserten.

1983 fielen gleich zwei Grand Prix fehlenden TV-Verträgen zum Opfer. Die Schweiz mit Austragungsort Dijon und die dritte Auflage des Parkplatzrennens in Las Vegas warfen kurzfristig das Handtuch. Brands Hatch sprang als GP Europa ein. In der gleichen Saison wurde Südafrika als Saisonauftakt gestrichen, bekam dafür aber das Finale. Grund: Eine Reglementsänderung der FIA, die erst im Oktober 1982 entschieden wurde. Die Teams hätten für den geplanten Südafrika-Termin die neuen Autos nicht fertigstellen können. So bekam Brasilien einen Montag später das erste Rennen des Jahres.

Der GP Belgien 2003 scheiterte am Tabakwerbeverbot. Drei Jahre später hatte der Streckenbetreiber nicht das nötige Kleingeld, das Fahrerlager und die Tribünen zu renovieren, wie es Bernie Ecclestone sich gewünscht hatte. Es war eher ein Weckruf des Formel 1-Zampanos an Spa. Die Belgier sollten nicht glauben, dass die Traditionsstrecke einen garantierten Termin hat. Der GP Kanada 1987 fiel wegen eines Luxusproblems aus. Zwei Groß-Brauereien stritten sich darum, wer Hauptsponsor sein darf. Weil keine Lösung gefunden wurde, gab es kein Rennen. Für 2009 forderte Ecclestone mehr Geld. Die Kanadier weigerten sich. Da der Kalender mit 17 Rennen bereits ausreichend voll war, verpasste Bernie Montreal eine kleine Abreibung.

1970 sollte der GP Frankreich eigentlich in Albi stattfinden, doch dem Veranstalter fehlte das nötige Kleingeld. Die Teams verlangten eine Garantiesumme von 800.000 französischen Francs. Albi konnte nur ein Viertel der Summe aufbringen. Deshalb kehrte der Automobile Club de France nach Clermont-Ferrand zurück. Die Regio rund um die Gebirgsstrecke konnte in letzter Minute das Geld auftreiben.

Wetter bestimmt den Zeitplan

Am letzten Wochenende nahm zum ersten Mal das Wetter Einfluss auf den Kalender. Bis zum GP Emilia Romagna 2023 hatten Regen oder Sturm nur das Programm während eines Grand Prix beeinflusst, nie aber zu einer Absage geführt. Suzuka erlebte schon drei Mal Taifun-Warnung und Land unter. 2004, 2010 und 2019 zwang Dauerregen am Samstag den Zeitplan zu ändern und die Qualifikation auf den Sonntagvormittag zu verlegen.

Das Gleiche passierte 2013 in Melbourne und 2015 in Austin. Wolkenbrüche sorgten 1991 in Adelaide für den kürzesten und 2011 in Montreal für den längsten Grand Prix aller Zeiten. Der Grand Prix von Belgien 2021 ist ein Sonderfall. Stundenlange Berieselung von oben verbunden mit schlechter Sicht machten daraus ein Rennen ohne Rennen. Nach drei Runden hinter dem Safety Car war Schluss. Gewertet wurde eine Runde. Das Ergebnis entsprach der Startaufstellung. Dafür gab es halbe Punkte.

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