Formel 1 muss umplanen
Fragen und Antworten zur Imola-Absage

GP Imola 2023

Der Formel-1-Tross bewegt sich nach der Absage von Imola Richtung Monte Carlo. In der Emilia-Romagna regnet es unterdessen weiter. Was ist passiert, wie geht es weiter? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Flut - GP Emilia-Romagna 2023 - Imola
Foto: Anadolu Agency via Getty Images

Man konnte es ahnen. Als am Dienstag vor dem GP Emilia-Romagna das Fahrerlager evakuiert werden musste, da kündigte sich eine Absage des Rennens bereits an. Auch am Tag danach war das Fahrerlager gesperrt. Um 13.20 Uhr am Mittwoch wurden die Vorbereitungen für das Rennen offiziell abgebrochen. Was faktisch einer Absage gleichkam.

Tatsächlich hatten sich Formel-1-Chef Stefano Domenicali und ACI-Präsident Angelo Sticchi Damiani schon eine Stunde davor auf eine Absage der Veranstaltung geeinigt. Domenicali ist als Einheimischer mit vielen hochrangigen Politikern und Amtspersonen bestens vernetzt. So erfuhr er sämtliche Informationen über die Entwicklung der Naturkatastrophe aus erster Hand.

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Es war am Mittwoch klar, dass der Dauerregen ab Freitag weitergehen und ein trockener Tag dazwischen nicht zu einer Entlastung führen würde. Außerdem konnte keiner garantieren, ob der Santerno-Fluss neben der Strecke nicht über die Ufer treten würde und was mit den Brücken zur Stadt hin passiert. Der Pegelstand war mit 3,80 Meter über Normal schon bedenklich hoch.

Eine Viertelstunde vor der Entscheidung hatte Domenicali mit allen Teamchefs telefoniert und sich ihre Meinung eingeholt. Alle waren für den Abbruch der Veranstaltung. Auch FIA-Präsident Mohammed Bin Sulayem stellte sich hinter die Entscheidung. Damit fiel zum ersten Mal ein Grand Prix den Naturgewalten zum Opfer.

Rund um die Absage des sechsten WM-Laufes ergeben sich viele Fragen. Wir geben die Antworten.

War die Entscheidung richtig?

Sie war richtig, und sie kam zur rechten Zeit. Abgesehen von vielen Fragezeichen rund um die Durchführbarkeit des Rennens selbst, gab es zwei gewichtige Punkte, die für eine Absage sprachen. Zum einen wurde jede Hilfskraft, von der Polizei bis hin zu medizinischem Personal zur Bewältigung der Flutkatastrophe gebraucht, die weit über Imola hinausging. Der komplette Landstrich zwischen Bologna und dem Meer stand und steht unter Wasser.

Außerdem hätte es kein Mensch verstanden, wenn die Formel 1 eine Spaßveranstaltung in einer Region durchführt, in der gleichzeitig die Menschen Haus und Hof, oder schlimmer noch, ihr Leben verlieren. Der Rocksänger Bruce Springsteen zog am Donnerstag in Ferrara ein Konzert durch und erntete dafür viel Kritik.

Wie geht es in Imola weiter?

Nachdem das Fahrerlager zwei Tage geschlossen war, durften die Teams am Donnerstag wieder an die Strecke, um zusammenzupacken. Gerade noch rechtzeitig. Am Freitag regnete es wieder in Strömen. Die meisten Straßen in um Imola wurden wegen Überflutung oder zu befürchtenden Schlammlawinen gesperrt. Fast alle Brücken über den Santerno-Fluss mussten aus Sicherheitsgründen blockiert werden.

Zudem kam es in der Gegend bereits zu den ersten Stromausfällen. Am Freitag wurde auch die Autobahn Bologna-Rimini gesperrt. Wer flüchten wollte oder will, musste das Richtung Süden über die Berge tun. Das wird auch einige Formel-1-Teams betreffen.

Formel 1 - GP Emilia-Romagna 2023 - Imola
STINGER via Getty Images
Die Flutkatastrophe in Imola zwang die Formel 1 zur Absage.

Gibt es einen Ersatztermin?

Im Kalender sind mit Ausnahme der Sommerpause bis zum Finale in Abu Dhabi nur sieben Wochenende frei. Egal, in welche Lücke man ein Rennen zwängen würde, es ergäbe sich dann eine Serie von vier, fünf oder sechs Rennen in Folge. Würde man zum Beispiel den 1. Oktober zwischen Japan und Katar nutzen, müsste Imola die Extra-Transportkosten übernehmen, um die Fracht von Japan nach Europa und von dort nach Katar zu bringen.

Wird die Sommerpause angetastet?

Sehr unwahrscheinlich. Dazu bedürfte es einer Regeländerung. Artikel 24 und 25 des Sportlichen Reglements bestimmt in jeweils zwölf Paragrafen, dass die Fabriken im Sommer zwei Wochen lang geschlossen sein müssen und dass jegliche Art von Arbeit an den Autos und Motoren verboten ist. Diese Regel kurzfristig außer Kraft zu setzen, bedarf der Zustimmung aller Teams. Die ist kaum zu erwarten. Gebuchter Urlaub ist den Engländern heilig.

Wird der Vertrag mit Imola um ein Jahr verlängert?

Es wäre die fairste Lösung, ist aber nicht sicher. Bis 2026 gibt es so viele Interessenten, dass der Kalender mit maximal 24 Rennen gar nicht alle aufnehmen kann. Imola lässt nur hoffen, dass Formel-1-Boss Stefano Domenicali ein Kind der Stadt ist und vielleicht ein Herz für den Traditions-Grand-Prix hat.

Muss Imola Antrittsgeld bezahlen?

Nein. Es ist ein Fall Höherer Gewalt. So wie das Corona-Aus 2020 in Melbourne. Würde sich heute das Szenario von Spa 1985 wiederholen, als der Grand Prix von Belgien nach zwei Trainingstagen abgesagt wurde, dann wäre eine Zahlung fällig gewesen. Die Veranstaltung gilt als gestartet, wenn das erste Auto auf die Strecke geht.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Emilia Romagna - Imola - 23. April 2022
Motorsport Images
Kein Rennen in Imola: Der Veranstalter hofft nach der Absage, 2026 ein zusätzliches Jahr in den GP-Kalender zu kommen.

Bekommen die Zuschauer ihr Geld zurück?

Ja. Der Veranstalter bietet die Rückerstattung an. Oder die Tickets behalten Gültigkeit für 2024.

Was bedeutet der Ausfall für die Teams?

Die Teams kommen mit einem blauen Auge davon. Imola liegt in der Rangliste der Startgelder am unteren Ende. Man schätzt zwischen 20 und 25 Millionen Dollar. Die Teams profitieren prozentual an den Einnahmen der Formel 1. Nach dem aktuellen Auszahlungsmodus bedeutet der Ausfall des Grand Prix knapp eine Million Dollar weniger im Kuchen. Das aber sparen sich die Teams dadurch ein, dass in Imola nicht gefahren wird. Ein Teamchef meinte: "Es geht sich ungefähr null auf null für uns aus. Wenn man einen Unfall in Imola gehabt hätte, wäre es sogar teurer gewesen zu fahren."

Hat die Absage Einfluss auf den Kostendeckel?

Operative Kosten gehen in das Budget mit ein. Wenn nicht gefahren wird, wird kein Material verbraucht. Das spart den Teams Geld, das sie später in ein Upgrade stecken könnten. Es gibt allerdings keinen Nachlass für den gestrichenen Grand Prix. Normalerweise darf jedes Rennen über 21 mit einem Bonus von 1,2 Millionen Dollar auf den Kostendeckel aufgerechnet werden. Wäre die Absage vor drei Monaten erfolgt, wären jetzt 1,2 Millionen vom Budgetlimit abgezogen worden. So aber erfolgte die Absage zu kurzfristig.

Was bedeutet die Absage technisch?

Die Motorenabteilungen atmen ein zweites Mal auf. Erst wurden ihnen wegen des neuen Sprintformats jeweils eine vierte Einheit des Verbrennungsmotors, Turboladers, der MGU-K und der MGU-H zugestanden, jetzt fällt auch noch die Kilometerleistung für ein GP-Wochenende weg. Das sind rund 800 Kilometer pro Auto und Motor. Die einzelnen Antriebseinheiten müssen rein rechnerisch nur noch 4.400 statt 4.600 Kilometer halten. Das gleiche gilt für das Getriebe.

Was passiert mit den Upgrades?

Soweit sie nur die Flügel betreffen, wandern die Imola-Flügel zurück ins Transport-Gepäck. Für Monte Carlo wird die Flügelfamilie mit dem höchsten Abtrieb ausgepackt. Die lag natürlich schon in den Transportern bereit, weil die Karawane von Imola ja direkt über Monte Carlo nach Barcelona zieht. Größere Upgrades wie bei Mercedes bleiben auch für Monte Carlo am Auto. Die Aussagekraft ist auf der speziellen Strecke durch die Stadt zwar nur eingeschränkt, aber es ist immer noch einfacher als das Auto zurückzubauen und möglicherweise aus der Fabrik Teile der alten Spezifikation nachzuliefern.

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