Ferrari schlägt Mercedes
Die Rückkehr der Dinosaurier

GP Belgien 2023

Die Dinosaurier sind zurück. Zuletzt waren Ferrari und Mercedes zwei Mal von McLaren entzaubert worden. In Spa-Francorchamps haben sie das Rennen um den zweiten Platz unter sich ausgemacht. Wir erklären, warum Ferrari das bessere Ende für sich hatte.

Charles Leclerc - GP Belgien 2023
Foto: Wilhelm

Red Bull schlägt alle. Das kennen wir. Dahinter drehte sich mal wieder das Bild. Die Dinosaurier sind zurück. Ferrari schlägt Mercedes, und beide schlagen Aston Martin und McLaren. Wir haben in dieser Saison gelernt, dass dieses Ergebnis kein Trend sein wird. Im Feld hinter Red Bull geht es drunter und drüber, und daran wird sich auch nach der Sommerpause wenig ändern.

Ferrari konnte nicht erklären, warum ihre roten Autos so schnell waren und die Reifen auf einer normalerweise reifenmordenden Strecke so gut in Schuss gehalten wurden. Mercedes wunderte sich, warum Ferrari auch im Rennen schneller war und warum weder viel Abtrieb bei George Russell noch wenig Abtrieb bei Lewis Hamilton zu einem Podestplatz reichten oder auf nasser Fahrbahn im Sprint eine Trumpfkarte waren.

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Die üblichen Gegner im Verfolgerfeld mussten sich diesmal wieder hinter den beiden Werksteams anstellen. McLaren, weil man beim Setup mangels geeigneter Heckflügel auf zu viel Anpressdruck setzte. Aston Martin, weil man gerade erst wieder aus einer kleinen Talsohle herausfindet, in die das Team vor drei Rennen gerutscht war.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Belgien 2023
Wilhelm
Nur die beiden Red Bull waren in Spa schneller als Charles Leclerc.

Kreuzung aus Baku, Spielberg und Spa

Es lag mal wieder an der Strecke, die das Bild bestimmte. "Wir brauchen offenbar eine Kreuzung aus Baku, Spielberg und Spa", schloss Teamchef Frédéric Vasseur aus den Ergebnissen der ersten zwölf Rennen. Dazu kam, dass der WM-Vierte pannenfrei durch das Wochenende kam. "Wir haben bei allen Bedingungen einen guten Job gemacht", lobte Vasseur sein so oft geprügeltes Team.

Die Reifen waren diesmal für keinen ein Problem. Selbst Pirelli zeigte sich überrascht, dass Spa seinen Reifen so wenig abverlangte und sogar ein Einstopp-Rennen möglich gewesen wäre. "Verschleiß und Abnutzung waren heute kein Thema. Die Soft-Reifen haben besser funktioniert als wir gedacht haben", erklärte Sportchef Mario Isola.

Vasseur fand für Ferraris gutes Reifenmanagement seine eigene Schlussfolgerung: "Wenn du wie wir in Spa ein schnelles Auto hast, müssen deine Fahrer nicht pushen. Und wenn sie nicht pushen, schont das die Reifen. Wenn man dagegen immer am Limit fährt, geht das auf den Verschleiß."

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Belgien 2023
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Lewis Hamilton konnte nicht um die Podiumsplätze kämpfen. Als Trostpreis blieb der Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde.

Die Rückkehr des Bouncings

Mercedes hoffte umsonst, mit dem besseren Rennspeed Ferrari überholen zu können. Der Undercut von Lewis Hamilton gegen Charles Leclerc vor dem ersten Boxenstopp funktionierte nicht. Danach hatte Leclerc auf jede schnelle Runde seines Verfolgers eine Antwort. "Ferrari war im Schnitt eineinhalb Zehntel schneller als wir", gab Teamchef Toto Wolff zu.

Am Anfang lag das auch daran, dass Mercedes bei der Berechnung der benötigten Benzinmenge konservativer als Ferrari war. "Wir hatten zu viel Benzin an Bord", bestätigte Wolff. Bei Ferrari war es eher zu wenig. Charles Leclerc musste im letzten Rennviertel häufig vom Gas.

Das große Upgrade von Mercedes zeigte noch nicht seine Zähne. Es waren auch denkbar ungünstige Umstände für das Debüt einer so umfangreichen Ausbaustufe. Das erste Training fand nicht statt. Danach änderte sich das Wetter im Minutentakt. Mal Regen, mal trocken. Das Rennen wurde für alle zum Blindflug. Vor allen für die Teams mit neuen Teilen.

Mercedes wurde prompt von einem Problem überrascht, das abgehakt schien. Das Auto fiel in den schnellen Passagen ins Bouncing zurück. "Für uns war Blanchimont eine echte Kurve. Unsere Fahrer mussten vom Gas. Die Schaukelei hat sich bis in die Bremszone danach hingezogen", erzählte Wolff. Ob das eine Folge des Upgrades war, muss noch untersucht werden. "Vielleicht brauchen wir am Unterboden noch etwas Feintuning, aber prinzipiell sind wir mit dem Upgrade auf dem richtigen Weg."

Carlos Sainz - Ferrari - GP Belgien 2023
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Der Ausfall von Carlos Sainz war ein kleiner Wehrmutstropfen für Ferrari.

Kleine Abstände, große Schwankungen

Es hat wohl auch damit zu tun, dass bestimmte Rennstrecken zur DNA eines Autos passen oder auch nicht. Ferrari war immer schon stark in Spa. Mercedes hatte dort oft Mühe. "Im letzten Jahr war Spa eine unserer schlechteren Strecken", erinnerte sich Wolff und machte in Optimismus: "Im Vergleich dazu haben wir uns gesteigert. Das wird nur dadurch getrübt, dass es da ein Auto gibt, das haushoch überlegen ist."

Ferrari und Mercedes reisten mit jeweils 24 Punkten aus Spa ab. Während sich Hamilton noch den Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde holte, beklagte Ferrari mit Carlos Sainz einen Ausfall. Nach der Kollision mit Oscar Piastri in La Source klaffte ein Loch im rechten Seitenkasten, und der Unterboden zeigte Kampfspuren. Das kostete Abtrieb und Balance. "Wir haben Carlos erst aus dem Rennen genommen als klar war, dass wegen des Regens keine rote Flagge kommt. In dem Fall hätten wir den Schaden vor dem Re-Start reparieren können", begründete Vasseur die Entscheidung den Spanier 23 Runden mit einem unfahrbaren Auto leiden zu lassen.

Im Feld hinter Red Bull werden weiter die Strecke, die Tagesform oder das Setup darüber entscheiden, wer das Rennen macht. "Prognosen sind sinnlos", findet Vasseur. "Wir alle liegen so eng zusammen, dass zwei Zehntel hin oder her den Unterschied machen, ob du am Ende Zweiter oder Elfter bist. Wir alle haben unsere Schwankungen, auch die Teams, die zuletzt hochgejubelt wurden."

Um aus diesem Raster auszubrechen braucht es zuerst einmal Verständnis. Upgrades allein sind kein Garantieschein. Weil keines der vier Teams mit Sicherheit sagen kann, ob der Fortschritt im Windkanal auf der Rennstrecke ankommt. Mal funktioniert er auf Anhieb, mal mit Verspätung, mal nie. Wird eine Schwachstelle abgestellt, taucht an anderer Stelle eine neue auf. Das macht das Rennen hinter Red Bull so interessant. Und Red Bull so überlegen.

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