Trainingsanalyse GP Niederlande 2023
Muss Verstappen McLaren fürchten?

GP Niederlande 2023

Lando Norris stahl Superstar Max Verstappen die Show. Die Bestzeit ging an McLaren. Im Longrun hat wie üblich Red Bull die Nase vorn. Aber noch nicht so deutlich wie erwartet. McLaren und Mercedes sind nicht so weit zurück.

Max Verstappen - Red Bull - GP Niederlande 2023 - Zandvoort
Foto: Motorsport Images

Alles andere als ein Sieg für Max Verstappen kommt für die 100.000 Zuschauer in Zandvoort nicht in Frage. Im ersten Training lieferte der Superstar mit einer Bestzeit vor Fernando Alonso ab. Im zweiten fand er seinen Bezwinger. Lando Norris hatte die Nasenspitze leicht vorn. Aus Sicht von Red Bull, weil McLaren mit mehr Power fuhr und Verstappen über zu heftiges Übersteuern klagte.

Im Longrun war die Welt des Titelverteidigers wieder in Ordnung. Verstappen war aber nicht so überlegen, wie das seine Gegner befürchtet hatten. Lando Norris und George Russell verloren auf den Soft-Reifen im Schnitt nur zwei Zehntel auf den zehnfachen Saisonsieger. Sergio Perez dagegen ist wieder das Sorgenkind. "Wir hoffen, er schafft es morgen ins Q3", meinte Sportchef Helmut Marko.

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Von Red Bulls Verfolgern hinterließen McLaren und Mercedes die beste Figur. Wobei man bei Mercedes noch etwas mehr Verbesserungspotenzial sieht. Eine Setupänderung vor dem zweiten Training war eher ein Rückschritt als ein Fortschritt. Und generell wird Mercedes nach den Hausaufgaben Freitagnacht in der Fabrik am Samstag immer stärker.

Aston Martin ist im Moment noch schwer einzuschätzen. Ein Motorproblem hielt Lance Stroll im ersten Training vom Fahren an. Damit musste der Vergleichstest alter gegen neuen Unterboden auf den Nachmittag verlegt werden. Diesmal mit umgekehrter Rollenverteilung. Alonso fuhr den alten Boden. Mit dem Resultat, dass der neue wohl ein signifikanter Fortschritt ist.

Zandvoort vergibt nicht. Oscar Piastri donnerte am Nachmittag in der Hugenholtz-Steilkurve in die Tecpro-Barrieren. Daniel Ricciardo folgte dem Australier im Abstand von zehn Sekunden. Als der Australier merkte, dass er auf seiner hohen Linie durch die 180 Grad-Kehre den McLaren voll in der Seite getroffen hätte, lenkte er den Alpha Tauri freiwillig in die Absperrungen. Die Aufräumarbeiten dauerten 14 Minuten. Bei Daniel Ricciardo wurde ein gebrochener Mittelhandknochen diagnostiziert. Das setzt den Australier für einige Rennen matt. Sein Ersatz ist Liam Lawson.

Sechs Dinge, die Sie wissen müssen

Lando Norris - McLaren - GP Niederlande 2023 - Zandvoort
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Gefahr in der Qualifikation? Lando Norris war im zweiten Training einen Hauch schneller als Max Verstappen.

1) Wer schlägt Max Verstappen?

Das erste Training ging an Max Verstappen, das zweite an Lando Norris. Der McLaren-Pilot war um 0,023 Sekunden schneller. "McLaren hat den Motor voll aufgedreht, wir noch nicht", relativierte Red Bull-Sportchef Helmut Marko. Und Verstappen klagte in mittelschnellen Kurven über starkes Übersteuern. "Der Max hat zwar nichts gegen ein unruhiges Heck, aber das war dann doch zu viel Rallyecross. Es kostet Rundenzeit", amüsierte sich Marko.

Der McLaren ist auf eine Runde ein Gegner für Red Bull. Über die Distanz ist es eher der Mercedes, obwohl Lando Norris und George Russell in ihren Soft-Longruns praktisch die gleichen Durchschnittszeiten erzielten. Bei Mercedes weiß man aber, woran man noch arbeiten muss. "Wir sind die Longruns etwas zu schnell angegangen und haben am Ende dafür den Preis bezahlt." Norris bestätigte: "Das Auto ist gut ausbalanciert, fühlt sich aber mit wenig Sprit an Bord besser an als im Renntrim. Daran müssen wir heute noch arbeiten."

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Niederlande 2023 - Zandvoort
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Mercedes ist in Zandvoort wie erwartet gut unterwegs.

2) Warum ist Mercedes so stark?

Die Mercedes-Piloten fühlten sich von der ersten Runde an wohl in ihren Autos. Lewis Hamilton setzte es auch in Rundenzeit um. Der Engländer war ein Mal Dritter und ein Mal Vierter, obwohl er in keinem seiner Versuche optimal durch alle drei Sektoren kam. George Russell beklagte Probleme mit dem Verkehr und den Aufwärmrunden. Trotzdem resümierte er: "Das war einer unserer besseren Freitage, und ich bin optimistisch für den Rest des Wochenendes."

Hamilton bestätigte: "Von der ersten Runde an hatte ich das Gefühl, dass wir eine gute Ausgangsbasis für die Arbeit hatten. Für das zweite Training haben wir einige Änderungen vorgenommen, und ich bin mir nicht sicher, ob wir dadurch Fortschritte gemacht haben oder nicht. Das werden wir uns heute Abend genau ansehen."

Hamilton begründete die gute Form der Silberpfeile damit, dass der Mercedes neuerdings auf kurvenreichen Strecken besser ist. "Wir waren schon in Budapest stark, und das ist eine ähnliche Strecke. Und Zandvoort ist uns auch letztes Jahr gelegen. Ich habe eine Zeitlang um den Sieg gekämpft, George wurde Zweiter." Dazu kam, dass Phase zwei des Upgrades, das in Spa debütierte, auf langsamen Strecken mehr zur Geltung kommt als auf schnellen. Chefingenieur Andrew Shovlin erklärte, dass man noch nicht ganz am Ziel aller Wünsche ist: "Der Medium-Reifen funktionierte gut, aber auf dem Soft-Reifen haben wir noch Verbesserungspotenzial."

Im Vergleich zu McLaren und Red Bull ließen die Mercedes-Piloten ihre Zeit in den Kurven 1, 8 und 11 liegen. Während die Highspeed-Kurve 8 noch ein generelles Problem darstellt, hingen die Geschwindigkeiten in der ersten und vorletzten Kurve stark vom Zustand der Reifen ab. Einmal waren die Piloten im ersten Sektor zu vorsichtig, um in den letzten Kurven davon zu profitieren. Dann war es umgekehrt. Es geht jetzt darum die richtige Balance zu finden.

Lance Stroll - Aston Martin - GP Niederlande 2023 - Zandvoort
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Lance Stroll hatte den neuen Unterboden im zweiten Training exklusiv.

3) Funktioniert der neue Unterboden von Aston Martin?

Aston Martins Testprogramm erhielt schon nach zwei Runden im ersten Training ein Dämpfer. Lance Stroll wurde zurück an die Boxen gerufen. Die Sensoren in der Mercedes-Antriebseinheit schlugen Alarm. Ein Leck beendete die Sitzung für den Kanadier. Es konnte erst bis zum zweiten Training geflickt werden. Damit fiel der geplante Vergleichstest ins Wasser. Fernando Alonso fuhr den neuen Unterboden, Strolls Auto wurde mit der alten Version bestückt. Teamchef Mike Krack: "Wir brauchen unbedingt Daten. Unser letztes Upgrade hat gezeigt, wie leicht der Schuss auch mal nach hinten losgehen kann."

Deshalb wurde der Vergleich am Nachmittag wiederholt. Allerdings mit umgekehrter Rollenverteilung. Stroll schlug seinen Teamkollegen um drei Hundertstel. Was dem neuen Boden ein gutes Zeugnis ausstellte. Alonso hatte schon am Morgen berichtet, dass die vierte Ausbaustufe des Unterbodens ein deutlicher Fortschritt ist. Da hatte der Spanier mit nur 0,278 Sekunden Rückstand die zweitschnellste Runde hinter Verstappen erzielt. "Es fühlte sich gut an. Jetzt müssen wir schauen, ob die Daten das gleiche sagen", urteilte Alonso.

Die Bestzeiten im Longrun auf den Soft-Reifen verfälschen das Bild. Alonso und Stroll rückten erst am Ende des zweiten Trainings mit Pirellis weichster Mischung aus. Da war schon weniger Sprit im Tank. Auf den harten Reifen war Alonso der Schnellste. Stroll verlor im Mittel auf der Medium-Mischung eine halbe Sekunde auf die Mercedes.

Carlos Sainz - Ferrari - GP Niederlande 2023 - Zandvoort
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Ferrari hat Probleme. Den roten Autos fehlt es an Geschwindigkeit – speziell auf eine fliegende Runde.

4) Was ist mit Ferrari los?

Budapest hätte Ferrari eine Warnung sein müssen. Dieser Typ Strecke passt dem SF23 nicht. Die Fahrer klagten über zu wenig Abtrieb im Heck. Charles Leclerc und Carlos Sainz tauchten in der Zeitentabelle im Mittelfeld ab. Wäre heute schon Qualifikation gewesen, wäre Leclerc im Q2 und Sainz im Q1 hängengeblieben. Sainz dokumentierte die Probleme mit seinem Auto mit zwei Ausritten ins Kiesbett in den Kurven 11 und 13. Ein Grund für Ferraris Schwierigkeiten war der böige Wind. Die roten Autos sind da besonders anfällig.

Im Dauerlauf sieht es nicht ganz so dramatisch aus wie auf eine Runde. Da fehlten Leclerc auf den Soft-Reifen im Schnitt eine halbe Sekunden auf Red Bull und drei Zehntel auf Mercedes und McLaren. Technikchef Enrico Cardile begründete den bescheidenen Start der roten Autos damit, dass man sich lange Zeit genommen habe, die Autos ordentlich für das Rennen abzustimmen. Soll heißen: Auf die Jagd nach schnellen Runden geht Ferrari erst am Samstag.

Alexander Albon - Williams - GP Niederlande 2023 - Zandvoort
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Alexander Albon glückte als Drittplatziertem die Überraschung des ersten Trainingstags.

5) Wie erklären sich die guten Williams-Zeiten?

Bei Williams waren sich Fahrer, Ingenieure und Teamleitung vor dem Wochenende einig: Das wird ein harter Gang. Der Williams FW45 fühlt sich auf schnellen Strecken wohl. Kurse, die viel Abtrieb verlangen, sind nicht sein Revier. Am Ende überraschte sich Williams mit den Plätzen 3 für Alexander Albon und 12 für Logan Sargeant selbst.

Ein Teil lag allerdings auch daran, dass Williams am Freitag traditionell mit weniger Sprit im Tank fährt als die Konkurrenz, um den Fahrern ein gutes Gefühl für das Auto zu geben. Die Longruns untermauern die Theorie. Da fehlen dann doch sieben Zehntel auf die Spitze.

Nico Hülkenberg - Haas - GP Niederlande 2023 - Zandvoort
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Für Nico Hülkenberg und Haas sind die Aussichten trotz neuer Teile weiterhin nicht rosig.

6) Was bringt das Haas-Upgrade?

Auf eine Runde lagen die Haas-Piloten am Ende der Tabelle. Dafür passt jetzt die Konstanz. "Leider auf niedrigem Niveau", bedauerte Nico Hülkenberg. Valtteri Bottas und Yuki Tsunoda waren zur gleichen Zeit mit harten Reifen unterwegs und im Schnitt 1,3 Sekunden respektiv acht Zehntel schneller. Der neue Frontflügel bereitete den Ingenieuren noch Kopfzerbrechen. Er hat beim Verbiegen eine andere Charakteristik. Das verstärkte den Abtrieb an der Vorderachse je nach Kurventyp anders als man es gewohnt war. Plötzlich fehlte im Heck Anpressdruck.

Zu Vergleichszwecken begann Magnussen im ersten Training mit dem neuen Flügel und Hülkenberg mit dem alten. Als der Däne in der Mitte des Trainings mehr Potenzial in der Neukonstruktion meldete, baute man auch Hülkenbergs Auto auf den neuen Flügel um. Wenig später landete der Rheinländer im Kiesbett von Kurve 13. "Der neue Flügel, eine andere Reifenmischung und vielleicht ein bisschen Wind", erklärte Hülkenberg den Abflug.

Der Haas rasierte noch leicht die Absperrungen. "Ein kleiner Kuss, aber mit großen Auswirkungen", rapportierte der Fahrer. Der neue Frontflügel brach am Übergang zur Endplatte. Weil so schnell kein Ersatz bereit lag, musste Hülkenberg das gesamte zweite Training mit dem alten Flügel bestreiten. Erst am Samstag steht wieder das neue Exemplar bereit. "Es gibt die Möglichkeit, den Flügel zu reparieren. Es soll aber noch ein weiterer kommen."

Es war nicht Hülkenbergs Tag. Nach dem zweiten Training musste er auch noch bei den Sportkommissaren vorsprechen. Er hatte Max Verstappen bei der Anfahrt zu Kurve 13 behindert. Seine Entschuldigung: "Vor mir waren zwei Autos. Ich dachte, die geben gleich Gas. War aber nicht der Fall. Da bin ich auf sie aufgelaufen und Max im Weg gestanden." Die Schiedsrichter folgten Hülkenbergs Erklärung. Es gibt keine Strafe.

Longruns GP Niederlande 2023: Training

Fahrer

Schnitt Rundenzeit

Runden

Reifentyp

Stint

Alonso

1.15,603 min

6

soft

2

Stroll

1.16,097 min

7

soft

2

Verstappen

1.16,162 min

15

soft

1

Norris

1.16,374 min

11

soft

1

Russell

1.16,371 min

11

soft

1

Sargeant

1.16,426 min

8

soft

1

Gasly

1.16,605 min

18

soft

1

Leclerc

1.16,696 min

15

soft

1

Sainz

1.16,745 min

14

soft

1

Hamilton

1.16,897 min

4

soft

2

Zhou

1.17,606 min

12

soft

1

Magnussen

1.17,711 min

17

soft

1

Russell

1.16,208 min

5

medium

2

Hamilton

1.16,371 min

11

medium

1

Perez

1.16,404 min

16

medium

1

Stroll

1.16,773 min

11

medium

1

Albon

1.16,901 min

16

medium

1

Alonso

1.16,530 min

11

hart

1

Ocon

1.16,580 min

18

hart

1

Sargeant

1.16,717 min

12

hart

2

Tsunoda

1.17,068 min

18

hart

1

Bottas

1.17,541 min

14

hart

1

Hülkenberg

1.18,307 min

16

hart

1

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