Wer war stärker: Mercedes oder Ferrari?
Reifenwahl entscheidet Dinosaurier-Duell

GP Mexiko 2023

Im Duell um die Vizemeisterschaft haben sich Mercedes und Ferrari mit jeweils 27 Punkten neutralisiert. Mercedes hatte dank der besseren Reifen im zweiten Teil das schnellere Auto, Ferrari zeigte die bessere Mannschaftsleitung.

Hamilton - Leclerc - Formel 1 - GP Mexiko 2023 - Rennen
Foto: Motorsport Images

Siege von Max Verstappen werfen keine Geschichte mehr ab. Sie sind eine Selbstverständlichkeit geworden. Das wahre Rennen findet hinter dem Weltmeister statt. Diesmal wieder zwischen Mercedes und Ferrari. McLaren hätte auch mitmischen können, wäre Lando Norris nicht von Platz 17 gestartet. Doch selbst die beste Aufholjagd der Welt konnte den Mann des Rennens nicht mehr in Podest-Nähe bringen.

Mercedes gegen Ferrari also: Die erste Runde ging mit zwei roten Autos in der ersten Startreihe an Maranello. So richtig konnte sich keiner im Team die Sternstunde erklären. "Der einzige im Team, der daran geglaubt hat, war uns Teamchef. Fred muss hellseherischer Kräfte haben", staunte Ingenieur Jock Clear. Man einigte sich darauf, dass die Ferrari-Piloten in den entscheidenden Qualifikationsrunden als einzige ihre Reifen perfekt ins Fenster brachten und mit den wenigsten Fehlern über die Runde kamen.

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Auch der erste Stint sah Ferrari in Front. Charles Leclerc und Carlos Sainz hatten ihre Plätze zwar schon nach 800 Metern an Verstappen verloren, konnten sich dann aber bis Runde 28 vor den beiden Mercedes halten. Das überraschte Freund und Feind. Die Ferrari-Piloten hielten ihre Medium-Reifen so gut in Schuss, dass man weder mit Leclerc auf Max Verstappens Boxenstopp reagierte noch mit Sainz auf den Reifenwechsel von Lewis Hamilton. Leclerc verlor trotz derangiertem Frontflügel in 18 Runden nur 4,5 Sekunden auf Verstappen.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Mexiko 2023 - Rennen
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Trotz hängender Endplatte war Charles Leclerc schnell unterwegs.

Ferraris plante mit einem Stopp

Der Plan von Ferrari war, die Gegner mit einer Einstopp-Strategie in die Knie zu zwingen. Dass man überhaupt so taktieren konnte, zeigt, dass der SF-23 große Fortschritte bei der Behandlung seiner Reifen gemacht hat. Sainz und Leclerc bogen erst in den Runden 30 und 31 für harte Reifen in die Boxen ab. Danach lag Leclerc 2,8 Sekunden vor Hamilton und hatte Reifen, die um sieben Runden frischer waren. Sainz hatte einen 7,5 Sekunden Vorsprung auf George Russell und vier Runden weniger auf der Lauffläche seiner harten Reifen.

In der 34. Runde war alles Makulatur. Der Rennabbruch mit Re-Start gab allen die Gelegenheit, ihre Reifenwahl zu korrigieren. Für Ferrari-Rennleiter Vasseur gab es keine Wahl: "Wir hätten auf gebrauchte Mediums zurückgehen können, trauten ihnen aber keine 35 Runden zu." Damit war gesetzt, dass auf der Garnitur weitergefahren wird, die bei den Boxenstopps ans Auto kamen.

Auch bei Mercedes befand sich in einer Zwangssituation. "Unsere harten Reifen waren schon zehn Runden alt. Da waren wir mit den angefahrenen Mediums besser bedient", erklärte Teamchef Toto Wolff. Hamiltons Medium-Satz war praktisch neu. Er hatte damit am Samstag eine Runde im Q1 absolviert. Der Medium-Satz von Russell hatte bereits acht Runden auf der Uhr, die er im ersten Training am Freitag abgespult hatte.

Hamilton profitiert vom Medium-Reifen

Der Neustart und die Reifenwahl stellten das Bild des ersten Stints auf den Kopf. Hamilton brauchte fünf Runden, bis er Leclerc am Ende der Zielgerade ausbremste. Es war ein Manöver auf Biegen und Brechen mit zwei Rädern im Gras. Doch der Topspeed der Mercedes war mit offenem DRS nicht besser als der des Ferrari mit geschlossenem Heckflügel. "Bei maximalem Abtrieb haben wir dieses Jahr leider ein sehr ineffizientes Auto", bedauerten die Ingenieure.

Als Hamilton sich einmal auf dem 2. Platz festgebissen hatte, war er für Leclerc nicht mehr zu halten. "Wir konnten die harten Reifen einfach nicht in ihr Fenster bringen", ärgerte sich Vasseur. "So gut wir auf den Medium-Reifen waren, so schlecht lief es auf den harten Gummis." Bei Mercedes war es umgekehrt. Hamilton äußerte zwar zwischendrin Zweifel, ob seine Medium-Reifen das Rennen überstehen, doch sie blieben so gut in Schuss, dass er zum Schluss noch die schnellste Runde drehte.

George Russell dagegen musste sich nach hinten orientieren, nachdem er im Zweikampf mit Sainz alle Körner verschossen hatte. Das Duell hatte die ohnehin schon älteren Medium-Reifen viel von ihrem Leben gekostet. Am Ende war kaum noch Gummi auf der Lauffläche. So wurde er zur leichten Beute für Lando Norris und wäre fast auch noch von Daniel Ricciardo von Platz 6 verdrängt worden.

Chefingenieur Andrew Shovlin meinte selbstkritisch: "George war zu Beginn des zweiten Stints klar schneller als Sainz. Rückblickend hätten wir ihn vielleicht zurückhalten und die Reifen schonen lassen sollen, aber wir sind ein Team, das lieber nach vorne schaut, als eines, das nach hinten blickt."

Carlos Sainz - Ferrari - Formel 1 - GP Mexiko 2023 - Rennen
Motorsport Images

Ferrari ist auf eine Runde besser, Mercedes dafür über die Distanz.

Vasseur mahnt mehr Konstanz an

So endete das Duell der Dinosaurier unentschieden. Mercedes und Ferrari reisten mit je 27 Punkten aus Mexiko ab. Der Abstand in der WM beträgt weiter 22 Zähler. Jetzt wartet mit Interlagos ein Sprint und gleichzeitig die Spezialstrecke von Mercedes. Doch bei Ferrari muss man mittlerweile auf jeder Strecke mit einer Pole Position rechnen. "Auf eine Runde sind sie uns überlegen. Über die Distanz haben wir die Nase vorn", zeichnet Wolff das aktuelle Bild.

Vasseur lobte die Steigerung im Reifenmanagement im ersten Stint, beklagte aber den Tempoverlust auf den harten Reifen. "Wir müssen über alle Reifentypen hinweg konstanter werden. Es reicht nicht nur ein halbes Rennen gut zu sein." Jock Clear bilanziert: "Unser Auto hat immer noch Schwächen, aber wir kennen sie besser. Und damit wissen wir besser, wie wir damit umgehen müssen."

Der Mercedes braucht länger seine Reifen in ihr Betriebsfenster zu bringen, aber sind sie mal drin, geht er pfleglicher mit ihnen um. Es dauert nur immer noch viel zu lange, bis der W14 auf eine Strecke abgestimmt ist. Oft fällt der Groschen erst am Samstag. Und selbst dann zeigt der Mercedes in der Qualifikation höchst unterschiedliche Leistungen. Was im Q2 gut funktioniert, kann im Q3 verschwunden sein. Erst im Rennen stabilisiert sich die Leistung wieder.

Im Prinzip sind sich die beiden Autos sehr ähnlich. Beide haben ein kleines Arbeitsfenster, in dem sie funktionieren. Ferrari kommt damit besser auf eine Runde zurecht, Mercedes auf die Distanz.

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