Trainingsanalyse GP Abu Dhabi 2023
Wenig Daten, viel Spannung

GP Abu Dhabi 2023

Der GP Abu Dhabi könnte ein spannendes Rennen werden. Zwei rote Flaggen reduzierten die Trainingszeit auf 26 Minuten. Das erste und dritte Training finden am Tag statt, sind also nicht repräsentativ. Den Teams droht eine Fahrt ins Ungewisse.

Max Verstappen - Red Bull - GP Abu Dhabi 2023
Foto: Motorsport Images

Der GP Abu Dhabi ist ein ganz normaler Grand Prix mit einem ganz normalem Ablauf. Doch nach dem ersten Trainingstag für den letzten WM-Lauf ist nichts mehr normal. Im ersten Training waren zehn Cockpits mit Rookies besetzt. Und die Sitzung fand am Tag bei 43 Grad Asphalttemperatur statt. Genauso wie das dritte Training am Samstag.

Die Rundenzeiten unter der Nachmittagssonne von Abu Dhabi sind wenig repräsentativ. Alle haben sich deshalb auf das zweite Training in den Abendstunden verlassen. Da sanken die Temperaturen auf die Werte, die auch zum Rennen am Sonntag zwischen 17.00 und 18.30 herrschen werden.

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Doch das so entscheidende Training war eine kurze Angelegenheit. Von 60 blieben wegen der Unfälle von Carlos Sainz in Kurve 3 und Nico Hülkenberg in Kurve 1 nur 26 Minuten echte Fahrtzeit übrig. Davon muss man auch noch die Runden aus den Boxen raus und zurück abrechnen und die Zeit, die die Fahrer in den Boxen verbracht haben, um Reifen zu wechseln. Max Verstappen hatte es so eilig, dass er in der superengen Boxenausfahrt drei Kollegen überholte.

Nach dem Training waren die Teams so schlau wie vorher. Es gab keine belastbaren Daten, weder über eine Runde, noch zu der Haltbarkeit der Reifen. "Wir gehen davon aus, dass es nicht viel anders aussehen wird wie letztes Jahr", erklärte Pirelli-Sportchef Mario Isola. "Wir haben die gleichen Mischungen, die Autos sind ähnlich schnell, die Bedingungen vergleichbar. Die meisten werden auf ein Einstopp-Rennen spekulieren mit dem Medium am Start und den harten Reifen danach. Die Teams sind den harten Reifen kaum gefahren. Daran sieht man, was sie vorhaben."

Auf eine Runde erzielte Charles Leclerc mit 1.24,809 Minuten die schnellste Zeit. Das war 1,2 Sekunden schneller als George Russell in der ersten Tagessitzung. Die Aussagekraft ist begrenzt, weil jeder bei dem verkürzten Zeitplan ein anderes Programm fuhr. Leclerc stellte die Bestzeit neun Minuten vor Max Verstappen auf, war als auf einer schlechteren Strecke unterwegs.

Die sogenannten Longruns sind noch weniger wert. Der Tankinhalt und die Motoreinstellungen waren zu unterschiedlich, um Vergleiche anzustellen. Die einen drehten schnelle Runden gefolgt von Abkühlphasen. Andere versuchten Mini-Dauerläufe. Den stärksten Eindruck hinterließ dabei Daniel Ricciardo mit einem Mittelwert von 1.27,915 Minuten über fünf Runden. Auch Oscar Piastri und Alexander Albon waren gut bei der Musik.

Sechs Dinge, die Sie wissen müssen

Charles Leclerc - Ferrari - GP Abu Dhabi 2023
Motorsport Images

Charles Leclerc schnappte sich am Trainingsfreitag den Spitzenplatz.

1) Hat Ferrari wieder eine Siegchance?

Auf eine Runde ist Ferrari schnell. Charles Leclerc nahm Lando Norris 43 Tausendstel ab und Max Verstappen 0,173 Sekunden. Doch der Ferrari-Pilot erzielte seine Bestzeit sechs Minuten früher als Norris und neun Minuten eher als Verstappen, also auf einer schlechteren Strecke.

Der Longrun von Leclerc ging über fünf Runden und war mit 1.28,280 Minuten langsamer als der von Ricciardo, Piastri und Albon. Allerdings hatte der Ferrari-Pilot auf diesem Reifensatz zunächst die schnellste Zeit des Tages abgespult, dann eine Bummelrunde eingelegt, bevor er auf der Garnitur fünf Runden am Stück anhing. Der Reifen war demnach zu Beginn der Dauerlaufs nicht mehr in seinem besten Zustand.

Max Verstappen - Red Bull - GP Abu Dhabi 2023
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Max Verstappen hat mit seinem Red Bull noch zu kämpfen.

2) Was war mit Verstappen los?

Max Verstappen war mit seinem Red Bull nicht zufrieden. Er beklagte sich am Funk, dass sein Auto wie ein Känguru springt, speziell im ersten Sektor. "Max verliert fast seine ganze Zeit in der ersten Kurve. Auf Perez allein zwei Zehntel", verrät Helmut Marko. In Sektor 1 landete der Weltmeister nur auf Platz 13. Besser läuft es im Mittelsektor mit den beiden langen Geraden. Da sind nur Perez und Leclerc schneller. Dafür holt Verstappen im letzten Abschnitt fast alles wieder auf.

Red Bull fehlten noch mehr Daten als der Konkurrenz. Man hatte im ersten Training die beiden Rookies Isack Hadjar und Jake Dennis fahren lassen, die über das Auto keine lehrreichen Aussagen machen konnten. "Es war schon Druck genug, das Auto nicht abzulegen", scherzte Teamchef Christian Horner. Deshalb drängte bei den Stammfahrern am Abend auch die Zeit.

Verstappen beschwerte sich vor dem Neustart nach der ersten roten Flagge, dass sich die beiden Williams vor ihm in die Schlange einfädelten. Und beim zweiten Neustart drängelte er sich in der Boxenausfahrt im Millimeterabstand zwischen den beiden Mercedes respektive Gaslys Alpine und der Tunnelwand vorbei. "Wir wollten auf jeden Fall noch zwei schnelle Runden auf den Medium und den Soft durchbringen. Es hat gerade so gereicht", berichtete Marko.

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Abu Dhabi 2023
xpb

Mercedes muss zulegen, um Ferrari in der Weltmeisterschaft hinter sich zu halten.

3) Kann Mercedes mit Ferrari mithalten?

Im Moment hat Ferrari leicht die Nase vorn. Für George Russell begann der Tag zwar mit einer Bestzeit, doch als der Engländer zwischen den Trainingssitzungen das Setup noch einmal optimieren wollte, ging der Schuss nach hinten los. Russell beklagte Balanceprobleme und kam über Platz 6 nicht mehr hinaus.

Das zeigte sich auch bei seinem Longrun über sechs Runden, der mit einem Schnitt von 1.28,534 Minuten drei Zehntel pro Runde langsamer war als der von Leclerc. Lewis Hamilton war dagegen zufrieden. "Das Auto und der Grip fühlen sich gut an."

Lando Norris - McLaren - GP Abu Dhabi 2023
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Lando Norris erzielte die zweitschnellste Rundenzeit – hinter Leclerc und vor Verstappen.

4) Was können McLaren und Aston Martin?

Lando Norris erzielte die zweitschnellste Trainingszeit, und Oscar Piastri mit 1.28,047 Minuten über sieben Runden den zweitbesten Longrun. Mit McLaren ist wieder zu rechnen, wie Teamchef Andrea Stella andeutete. "Abu Dhabi ist zwar nicht Silverstone und Suzuka, doch die Strecke kommt uns mehr entgegen als Las Vegas. Es gibt da allerdings ein paar Ecken, wo wir den Schaden begrenzen müssen." So oder so: McLaren kann Ferrari und Mercedes im Kampf um Platz 2 in die Suppe spucken.

So weit ist Aston Martin noch nicht, auch wenn Ersatzfahrer Felipe Drugovich am Nachmittag überraschend die zweitschnellste Runde drehte und in seinen Runden sowohl auf dem Medium-Gummi und Soft-Reifen eine erstaunliche Konstanz an den Tag legte. Aston Martin nutzte das erste Training zu einem Vergleichstest zwischen dem neuen und alten Heckflügel. Stroll fuhr neu, Drugovich alt. Das Team entschied sich für die neue Version. Fernando Alonso landete als Elfter knapp außerhalb der Top Ten.

5) Warum ist Alfa Sauber so stark?

Valtteri Bottas und Guanyu Zhou überraschten mit den Plätzen 4 und 7. Die Rennstrecke passt zum Profil des C43, die Temperaturen sind mit 32 Grad auf dem Asphalt nicht zu kalt, und der neue Frontflügel soll ein bis zwei Zehntel gebracht haben. "In den letzten Rennen hat sich im Training gezeigt, dass wir kontinuierlich besser werden", konstatierte Audi-Chef Andreas Seidl zufrieden. "Wir müssen es nur noch im Rennen umsetzen."

Genau darin liegt das Problem. Im Longrun war Bottas schon nicht mehr so stark wie auf eine Runde. Der Finne kam über vier Runden auf einen Mittelwert von 1.29,135 Minuten. Bottas wurde dabei klar von Daniel Ricciardo mit 1.27,915 Minuten und von Alexander Albon mit 1.28,107 Minuten geschlagen. Und Alpha Tauri und Williams sind die direkten Gegner der Eidgenossen. Mercedes-Leute warnen vor Alpha Tauri. Ricciardo und Tsunoda sind deutlich besser unterwegs als es die schnellsten Rundenzeiten vermuten lassen. Offenbar hat der neue Unterboden eingeschlagen. Andererseits haben Red Bull und Alpha Tauri laut Messungen den Motor mehr aufgedreht als die direkte Konkurrenz.

Carlos Sainz - Ferrari - GP Abu Dhabi 2023
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Carlos Sainz feuerte seinen Ferrari nach acht Minuten im zweiten Training ins Aus.

6) Was bedeutet der Sainz-Crash für Ferrari?

Das zweite Training war für Carlos Sainz nach acht Minuten zu Ende. Dann flog der Ferrari mit der Startnummer 55 in der 270 km/h schnellen Kurve 3 von der Strecke und bohrte sich nach zwei Pirouetten in die Tecpro-Wand. Sainz gab an, in den Turbulenzen des vorausfahrenden Alpha Tauri Abtrieb verloren zu haben. Ausgerechnet als der Ferrari eine Bodenwelle traf. Das hört sich an wie eine Dublette zu dem Norris-Crash in Las Vegas.

Ferraris Unfallbudget ist damit bald ausgereizt. Der Abflug von Sainz war der fünfte schwere Unfall eines Ferrari-Piloten in diesem Jahr nach Charles Leclerc in Miami, Zandvoort und Interlagos und Sainz in Las Vegas. Dazu kommen zwei mittelschwere Schäden. Sainz muss sich keine Sorgen machen. Das Chassis hat überlebt und das Getriebe wäre am Abend sowieso ausgetauscht worden.

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