Porsche 917 im Fahrbericht
Der Unbesiegbare - Zeitreise mit 520 PS

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Der Porsche 917 schrieb Motorsportgeschichte. 1969 baute Porsche den ersten 917 und im Langstrecken-Rennsport begann eine neue Ära. 520 PS im Nacken - und der Fahrer ist mit seinen Beinen praktisch integraler Bestandteil der Knautschzone. Lesen Sie hier wie sich der 917 fährt.

Porsche 917
Foto: Hans-Dieter Seufert

Üppige 520 PS im Nacken - und der Fahrer ist mit seinen Beinen praktisch integraler Bestandteil der Knautschzone. Der Porsche 917 ist kein Auto für schreckhafte Naturen. Dies wird schon beim Einstieg deutlich. Es bedarf einer gewissen Gelenkigkeit, um die Beine in Richtung Pedale zu schieben. Die Knie treffen einen Querholm. Der Kopf stößt gegen das Dach. Ist die Tür geschlossen, dann passt sich der Pilot der eleganten Karosserieform an - der behelmte Kopf wird automatisch nach links gerückt. Platzangst darf man als Porsche 917-Pilot nicht mitbringen.

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Rennfahrerlegende Hans Herrmann: "Das Auto war unfahrbar"

Aber das war nicht das eigentliche Problem, das den Super- Porsche zu Beginn seiner Karriere begleitete. "Der Porsche 917 taugte eigentlich zu gar nichts", urteilte Dick Attwood. Und Hans Herrmann bestätigt: "Das Auto war 1969 unfahrbar." Keiner der Porsche-Werkspiloten wollte zunächst in den 917 steigen. "Wenn ein Rennfahrer freiwillig auf 200 PS verzichtet, die der Porsche 917 gegenüber dem Porsche 908 zusätzlich hatte, dann muss wirklich etwas nicht stimmen", erklärt Herrmann.

Porsche 917-Ziehvater Ferdinand Piëch, damals bei Porsche Leiter der Konstruktion Rennwagen, hingegen erinnert sich auf seine eigene Art: "Wir hatten noch nie ein so schnelles Auto gebaut." Im Zentrum des Sportwagens arbeitet ein V-Zwölfzylinder mit 180 Grad Zylinderwinkel, der somit aussieht wie ein Boxermotor. Aus 4,5 Liter Hubraum leistet er im Porsche 917 gesunde 520 PS. Piëch: "Damit hatten wir aber 30 bis 50 PS weniger als die Ferrari." Sein Rezept gegen das Leistungsmanko: geringes Gewicht und geringer aerodynamischer Widerstand. Dafür griff Piëch auch zu exotischen Materialien. Der Schaltknauf und die Halterung für die Widerstände sind beispielsweise aus Balsaholz. Es gibt Schrauben und Antriebswellen aus Titan. Selbst die Ventile in den Felgen wurden aus dem Leichtbaumaterial gefertigt.

Das Gewicht stimmte, auch der Topspeed. Der Porsche 917 war superschnell, "neigte aber dazu, abzuheben wie ein Flugzeug!" (Attwood). Piëch: "Man war damals noch nicht so weit. Wir wussten nicht, dass der Abtrieb eine solche Rolle spielt." Erst als man dem Porsche 917 das Heck stutzte und steiler anstellte, wurde aus dem "Geschwür", wie ihn die Fahrer nannten, "ein richtig gutmütiger Karren", so Herrmann. "Da hast du Sachen machen können - unglaublich."

Rennwagen in reinster Form - ohne elektronische Helfer

Ich bin gespannt. Im Gegensatz zu modernen Rennautos gibt es beim Porsche 917 einen richtigen Zündschlüssel. Ein Dreh, ein leichter Gasstoß, und die zwölf Zylinder hinter meinem linken Ohr legen sich ins Zeug. Der Ton ist infernalisch. Der Antritt auch. Glücklicherweise ist in diesem Cockpit kein Platz. Der Kopf hat also keine Chance, weit nach hinten zu zucken. Aber der rote Porsche 917 ist ein Asphalt-Fresser, strebt nach vorn und inhaliert die Geraden förmlich. Das Bremsgefühl ist gut, die Verzögerung aber nicht wirklich dramatisch. Doch es reicht aus, um den Chauffeur in der fast liegenden Position, mit den Gurten nur notdürftig fixiert, bei jedem heftigen Bremsmanöver in Richtung Fußraum rutschen zu lassen. Die Arme sind ausgestreckt, was eher ungewohnt ist. Dafür lenkt der Oldie aber willig ein.

Apropos: Das große Lenkrad im Porsche 917 ist noch ein Lenkrad im eigentlichen Sinn. Rund und pur. Es gibt keinerlei Knöpfe oder Tasten. Keinen für Funk, keinen Speedlimiter für die Boxengasse, keinen Knopf für die Trinkflasche. Keine Drehknöpfe für Motorprogramme, Differenzialverstellung oder Regen-Setup. Es gibt noch nicht einmal die Möglichkeit, vom Cockpit aus die Bremsbalance zu verstellen. Rennfahren war 1969 noch relativ einfach. Einige Schalter und Besonderheiten hat das Cockpit aber dann doch parat. Beispielsweise gibt es einen Kipphebel für eine Klimaanlage, die aber nur 1969 installiert war - im ersten Porsche 917-Jahr. Da wurde Eis in den Bug gepackt. Und man konnte so das enge Cockpit für eine gewisse Zeit klimatisieren.

Vorgabe: Luftgekühlter Motor soll die WM holen

Rechts neben dem Lenkrad des Porsche 917 gibt es einen Schalter für die Feststellbremse, der für die Homologation nötig war. Das Reglement verlangte auch, dass der Porsche 917 ein Ersatzrad hatte, einen kleinen Kofferraum und ein bisschen Werkzeug: Wagenheber, Radschlüssel und Kupferhammer. Eine weitere Forderung: Binnen eines Jahres mussten 25 dieser Sportwagen gebaut werden, erst dann gab es die Zulassung zum Sport. Der Porsche 917 war wohl das größte Hasardeur- Stück in der Porsche-Geschichte. Der Bau von 25 Sportwagen war nicht nur ein finanzielles Risiko. "Vom Reißbrett weg 25 Autos zu bauen - so etwas habe ich in meinem Leben nicht mehr riskiert", verrät Piëch. Der Porsche 917 sollte dabei nicht allein die Weltmeisterschaft gewinnen. Wichtig war, dass ein luftgekühlter Motor die WM holte, denn "in der Endphase des Käfers sollten wir die Luftkühlung noch einmal hochhalten".

Der Porsche 917 erfüllte sein Soll erst im zweiten Jahr: Hans Herrmann und Dick Attwood siegten in Le Mans. Man holte zwei Weltmeisterschaften und wechselte dabei vom wendigenPorsche 908/3 für den Nürburgring und die Targa Florio zum starken Porsche 917 für die schnellen Strecken wie in Le Mans. Piëch: "Der Porsche 917 war wie ein Bergschuh, der Porsche 908/3 wie ein Sprintschuh mit Spikes." Damit sein Sportgerät immer optimal in Form war, trieb Piëch die Entwicklung vehement voran: "Wir haben immer versucht, einen Entwicklungsvorsprung von drei Monaten in der Schublade zu haben."

Gebrochene Bremsscheiben bei der Le Mans-Siegesfahrt

Der Porsche 917 bekam einen noch leichteren Magnesium-Rohrrahmen und gelochte Bremsscheiben, die 1971 in Le Mans Premiere feierten. Helmut Marko und Gjis van Lennep, die Youngster im Team, durften den Versuchsträger pilotieren. "Die wussten gar nicht, was sie da fuhren", erinnert sich Klaus Bischof, heute für das rollende Porsche-Museum verantwortlich, damals Rennmechaniker. Als die Youngster dann im Finale plötzlich ganz vorn lagen, da zeigten die Bremsscheiben schon üble Risse. Ein Wechsel hätte den Sieg verspielt, also informierte Bischof seinen Piloten Marko für den Final-Turn: "Geh vorsichtig mit der Bremse um." Der Versuchsträger wurde von Marko förmlich ins Ziel getragen - und seit damals nie wieder bewegt.

Piëch hatte inzwischen schon die nächste Porsche 917-Etappe im Visier: Er baute einen 16-Zylinder-Motor. Weil der aber nur 750 PS erreichte, kam er nicht zum Einsatz. Denn parallel wurde eine Turbovariante entwickelt, die es auf Anhieb auf über 1.000 PS brachte. Mit dem Porsche Turbo-917 startete Porsche seinen Siegeszug bei der amerikanischen CanAm- Rennserie. Was im April 1969 mit der FIA-Abnahme der 25 Porsche 917 in Stuttgart- Zuffenhausen begonnen hatte, wurde nach vielen Anlaufproblemen zum grandiosen Siegeszug. Noch heute macht der Porsche 917 eine absolut passable Figur.

Ein einzigartiges, leider viel zu kurzes Fahrerlebnis geht zu Ende. In den Ohren schwingt noch der unglaubliche Zwölfzylinder-Sound des Porsche 917, während sich der Le Mans-Sieger knisternd an der Box entspannt. Dann geht es zurück ins Porsche-Museum, wo der rote Sportler ein ganz besonderes Highlight darstellt.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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