BMW 328i im Fahrbericht
Die Liebe auf den ersten Kick

Seinen Kofferraum öffnet er auf Wunsch per Fußkick, doch ob der neue BMW 3er das Zeug hat, der Konkurrenz einen Tritt zu verpassen, klärt der Fahrbericht.

BMW 328i, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Sie haben sicher auch so jemanden im Bekanntenkreis: groß gewachsen, sportliche Statur, mit eingebautem Erlebnisschalter. Ein Cleverer, der sich schont, wenn es nicht so drauf ankommt, und den Turbo glühen lässt, wenn es pressiert. Einer mit festem Blick, gewinnend und energisch zugleich, ein Netzwerk-Profi und Infotainment-Aficionado, der googelt, facebookt, seine Informationen in Echtzeit bekommt.

Bei BMW haben sie nun etwas ähnliches: den neuen BMW 3er, der als tragende Säule der Marke ein Drittel des Umsatzes bringt. Neun Zentimeter länger als bisher, sortiert er sich mit 4,62 Metern genau zwischen seinen Erzrivalen Audi A4 und Mercedes C-Klasse ein.

BMW 3er kommt endgültig smart rüber

Schwer vorzustellen, dass dieser Typ wie einige seiner Ahnen irgendwann in die Schmuddelecke abdriftet – etwa in der Variante tiefergelegt, große Räder und Flammrohr. Pflegten manche Vorfahren ihre Neigung zu fröhlichen Querfahrten und harten Querschlägen, kommt Generation sechs des BMW 3er endgültig smart rüber, bis in den letzten Falz der gewichtsparend konstruierten Karosserie.

Diese zarte Raumknappheit, das Körperbetonte von einst, ist mit der neuen Generation vollends Geschichte. Wortloses Verstehen wie unter Thekenfreunden auch. Früher reichte es, „BMW 328i“ zu raunen, und alle nickten wissend, zeigten Ehrfurcht oder sogar Neid vor dem singenden, trompetenden Sechszylinder. Heute raucht der Kopf vor lauter Fachbegriffen wie Twin Power Turbo, Connected Drive, Head-up-Display, Top View, Night Vision mit Personenerkennung, No passing und Speed Limit Info. Viel Technik, viel Englisch, viel Sonderausstattung, wobei der BMW 3er seine erste Prägung auf Wunsch bereits durch die aufpreispflichtigen Ausstattungslinien bekommt: Sport, Luxury oder Modern.

Geschmeidig und dynamisch über die Straße flitzen

Eins gilt für alle: Wer vorn sitzt, ist vorn. Hier logiert der Chef mit einem auserwählten Beifahrer und gebietet so ziemlich über alles, was derzeit angesagt ist. Und das ohne langes Studieren. BMW-Kenner wissen eh Bescheid über i-Drive und Co, doch selbst Markenwechsler kommen ruck zuck rein. Klar aufgebaute Menüs, logisch platzierte Schalter, übersichtliche Instrumente und Top-Ergonomie bis hin zu körpergerechten Sitzen helfen dabei. Man möchte am liebsten gar nicht wieder aussteigen, so geschmeidig und dynamisch zugleich flitzt der BMW 3er über den Asphalt.

Die Federelemente (erstmals mit optionalen Adaptivdämpfern) überspielen gekonnt mangelhafte Fahrbahnzustände, geben dennoch alle wichtigen Informationen weiter. Die präzise elektromechanische Lenkung mit situativ passender Servounterstützung dirigiert den 1,5 Tonnen schweren BMW 328i genau dahin, wohin der Fahrer es möchte – jedenfalls sobald dieser sich an die leichte Künstlichkeit der aufpreispflichtigen Aktiv-Variante gewöhnt hat.

Vom flauschigem Reisemobil zum bissigem Kurvensucher

Frei von Antriebseinflüssen war der hinterradgetriebene BMW 3er logischerweise schon immer, frei vom Risiko zickiger Heckschwenks bereits eine ganze Weile. Ganz neu hingegen: die Konditionierung per Knopfdruck. Je nach Ausstattung umfasst sie das Ansprechverhalten des Motors, der Aktivlenkung sowie die Dämpfercharakteristik. Zwischen Comfort und Sport+ liegen nur ein paar Finger-Zucker, die Spreizung zwischen flauschigem Reisemobil und bissigem Kurvensucher ist deutlich spürbar.

Ebenso deutlich spürbar ist die Neuzeit bei den Motoren: Die Sauger sind abgeschafft, was bei den Vierzylindern nicht weiter tragisch ist. Allerdings brummt statt des traditionellen Dreiliter-Reihensechsers beim BMW 328i jetzt ein 245 PS starker Zweiliter-Vierzylinder mit Turboaufladung unter der Haube. Später kommt eine 184-PS-Variante hinzu, im Herbst 2012 sogar ein Hybrid als Kombination aus Sechszylinder-Turbo und Elektromotor, die zusammen 340 PS entwickeln. Diesel? Klar! Zum Start der bekannte BMW 320d und sein Öko-Bruder 320d EDE, später die hubraumgleichen, aber schwächeren BMW 316d und 318d mit 116 und 143 PS.

BMW 3er mit Achtgangautomatik

Doch zurück zur Frage, was der BMW 328i kann. Etwa Menschen, die Automatikuhren und Schallplatten lieben und für die ein frei saugender Reihensechszylinder alles ist, in tiefe Trauer zu stürzen. Sie werden es schwer haben, mit dem vergleichsweise profanen Vierzylinderklang warm zu werden, zumal der bei niedrigen Touren dezente Zweiliter Richtung Drehzahllimit (7.000/min. sind drin) fast ein wenig gequält klingt. Wer feinsinnige Sound-Kritiken hingegen für Kokolores hält, darf sich am stämmigen, gleichmäßigen Antritt von maximal 350 Newtonmetern ohne irgendwelche Turbo-Allüren, dafür mit ordentlicher Laufkultur sowie Benzinsparpotenzial erfreuen.

Besonders gediegen wird die Sache in Verbindung mit der famosen, gekonnt applizierten Achtgangautomatik. Breite Übersetzungsspreizung und kleine Gangsprünge halten den Motor akribisch im optimalen Bereich. Wer die Sport-Variante wählt, bekommt Lenkradpaddel und nochmals verkürzte Schaltzeiten im Stil eines fixen Doppelkupplungsgetriebes. Im Knauser-Modus Eco Pro legt die ZF-Box hingegen so zügig große Gänge nach, dass der Motor des BMW 328i selten dazu kommt, über 2.500/min zu drehen. Bei Bedarf geht es mächtig vorwärts (5,9 s auf 100 km/h), und das sehr entspannt.

BMW 3er mit mehr Beinfreiheit im Fond

Entspannt – Stichwort für die neue Innenarchitektur des BMW 3er. Neun Zentimeter mehr Länge und vergrößerter Radstand kondensieren zu 15 Millimeter mehr Beinfreiheit im Fond, was genau den Unterschied zwischen an Vordersitzlehnen schubbernden Knien und angemessenem Reisekomfort ausmacht. Fond-Gäste um 1,80 Meter können sich fast schon räkeln, ihre Füße gelassen unter die Vordersitze schieben, während die 4,62-Meter-Limousine durch den Wind gleitet. Sie bietet diesem relativ wenig Widerstand, der cW-Wert beträgt günstige 0,26. Möglich durch einen weitgehend glatten Unterboden inklusive Motorabdeckung sowie gezielte Luftvorhänge an den vorderen Radhäusern, die Verwirbelungen minimieren.

Derart gerüstet dürfte der neue BMW 3er für ordentlich Wirbel in der noblen Mittelklasse sorgen und dem einen oder anderen Konkurrenten einen ordentlichen Tritt verpassen, der auch zur Öffnung des Kofferraums gut funktioniert. So ist er, der clevere Münchner Bekannte mit Turboschub und Erlebnisschalter.

Fazit

2Mit dem neuen §er ist BMW eine überzeugende Kombination aus Komfort und Dynamik gelungen„

Technische Daten
BMW 328i Modern Line
Grundpreis42.300 €
Außenmaße4624 x 1811 x 1429 mm
Kofferraumvolumen480 l
Hubraum / Motor1997 cm³ / 4-Zylinder
Leistung180 kW / 245 PS bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch6,3 l/100 km